Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
irgendwohin zu gehören, außer zu Sachi.« Ich verstehe es selbst erst, während ich so vor mich hin rede. »Wir könnten ihr helfen.«
Schwester Cora erhebt sich und zuckt vor Schmerzen zusammen, bevor sie nach ihrem Stock greift. »Es ist ein Risiko.«
»Ich weiß.« Rory hat ihre Fehler, aber die habe ich auch. Auch meine Schwestern haben ihre Fehler. Und Rorys Fehlverhalten war bloß eine öffentliche Variante dessen, was Maura getan hat, nachdem Elena sie verraten hatte.
Ich runzle die Stirn, als ich mich an den Abend erinnere, ehe ich Chatham verließ: Maura war ein Wirbelwind aus Liebeskummer, der alles, was sich ihm in den Weg stellte, zerstörte.
Ich würde meiner Schwester eine zweite Chance geben wollen.
»Sie sagte, sie sei verlobt«, gibt Schwester Cora zu bedenken. »Wenn sie ihre Absichtsbekundung bricht, würde das Aufmerksamkeit erregen.«
Als auch ich mich erhebe, schwingen meine grauen Röcke um mich. »Bruder Winfield wäre froh, sie loszuwerden. Wir könnten Sachis Verhaftung als Auslöser für ihren plötzlichen religiösen Eifer anführen. Die beiden waren schon immer unzertrennlich.«
Cora schürzt nachdenklich die Lippen. Von der Wand hinter ihr starren mich drei ehemalige Schulleiterinnen anklagend aus ihren mit Goldschnitt versehenen Rahmen an. »Bist du sicher, dass du das willst?«
Ich nicke. »Wenn wir die Mädchen, die uns am meisten brauchen, fortschicken, nur um unsere eigene Haut zu retten, wozu ist die Schwesternschaft dann gut?«
Cora lächelt. »Deine Neigung zur Heilkunst, deine Entscheidung in dieser Frage, wie rasch du nach deinen Schwestern geschickt hast trotz der damit für dich verbundenen möglichen Gefahr, das alles spricht sehr für dich.«
Ich halte Cora zurück, als sie zur Tür hinkt, denn in einem Punkt muss ich sie korrigieren. »Es war kein Opfer, nach Maura und Tess zu schicken. Sie würden mich niemals verletzen.«
Schwester Coras Mund zuckt mitleidig. »Das hoffe ich sehr, Catherine. Wirklich.«
Die Kutsche macht einen Ruck, als wir von der viel befahrenen Straße nach New London abbiegen, um den Hügel in Angriff zu nehmen, hinter dem die Harwood-Heilanstalt für geisteskranke Kriminelle liegt. Es hat angefangen zu schneien. Kleine Graupelkörner springen gegen die Fensterscheiben. Ich schiebe den Vorhang zur Seite, drücke das Gesicht gegen das beschlagene Glas und beobachte, wie die gefrorene Landschaft an uns vorbeizieht. In der Nähe eines halb mit Eis überzogenen Teichs liegen Kühe auf der matschigen Weide. Einen Augenblick später hält Robert die Kutsche an, um einen Bauern mit einer Herde zotteliger brauner Ziegen die Straße überqueren zu lassen. Es ist schön, aus der Stadt herauszukommen – oder es könnte schön sein, wenn ich unser Ziel vergessen könnte.
Wir sitzen zu fünft im Wagen: fünf weite schwarze Bombasinröcke, fünf Paar Hände, in die gleichen schwarzen Pelzmuffe gesteckt, fünf Paar schwarzer geknöpfter Stiefel, die wir auf dem eisigen Holzboden der Kutsche auf Wärmflaschen gestellt haben. Unsere Verkleidung ist an diesem Tag wichtiger denn je.
Schwester Sophia zieht sich die Kapuze über die schwarzen Locken, und wir folgen ihrem Beispiel. Wir müssen gleich da sein. Mir ist ganz flau im Magen.
»Guter Gott, bin ich nervös«, platze ich heraus, und gleich darauf schießt mir das Blut in den Kopf. Was für eine Anführerin gibt zu, dass sie Angst hat?
Doch die anderen Mädchen nicken. Mei drückt meinen Arm und sieht mich mit ihren dunklen Augen mitfühlend an. »Als ich das erste Mal hierhergekommen bin, hatte ich schreckliche Angst. Das ist nichts, wofür du dich schämen müsstest.«
»Mit der Zeit wird es einfacher.« Addie schiebt sich die Brille die lange Nase hoch. »Anfangs habe ich mich noch darüber aufgeregt, wie die Mädchen behandelt werden. Aber es hilft nichts. Jetzt versuche ich einfach, es etwas erträglicher für sie zu machen.«
Sogar die schüchterne Pearl, die so gut wie nie etwas sagt, lächelt mich aufmunternd an. Sie hat furchtbar hervorstehende Zähne, was ihr durchaus bewusst ist, denn Alice macht sich ständig darüber lustig.
Die drei kommen jede Woche mit Schwester Sophia hierher. Ich staune über ihren Mut. Machen sie sich gar keine Sorgen, dass sie die Anstalt eines Tages vielleicht nicht mehr verlassen dürfen?
Denn das ist es, was mich am meisten an diesem Besuch beunruhigt. Nicht die Angst, dass Zara nicht mit mir reden könnte, oder das Leiden der Mädchen zu sehen, an
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