Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
doch, Mädchen, die Schwestern sind hier, um vor dem Tee mit euch zu beten!«
Die Mädchen blicken uns kurz an, dann wenden sie sich, ohne das geringste Interesse zu zeigen, wieder ab. Unsere Ankunft durchdringt ihren Nebel kaum.
Schwester Sophia hat mich vorgewarnt. Die Patientinnen werden mit Laudanum ruhiggestellt, das ihrem Tee zugesetzt wird. Das Laudanum verhindert, dass die echten Hexen sich genug konzentrieren können, um Magie zu praktizieren, und sorgt dafür, dass die anderen ruhig und gehorsam sind.
Ich bin es gewöhnt, dass Frauen sich ruhig und gehorsam verhalten. Aber inzwischen habe ich begriffen, dass es bei vielen bloß eine Fassade ist. Doch dies hier ist etwas vollkommen anderes. Vor lauter Wut kann ich mich überhaupt nicht mehr rühren und bleibe wie angewurzelt stehen. Reicht es nicht, dass die Brüder diese Frauen ihren Familien entrissen und sie dazu verdammt haben, den Rest ihres Lebens fernab von zu Hause in einem elenden Gefängnis zu verbringen? Sie haben ihnen außerdem auch noch die Fähigkeit zu denken und zu entscheiden genommen, ihre Fähigkeit zu kämpfen .
»Schwestern!« Ein Mädchen, dünn wie eine Bohnenstange, stürzt auf uns zu und fällt Schwester Sophia vor die Füße. »Ich bin sehr böse. Ich fürchte, ich kann nicht mehr gerettet werden.«
»Steh auf, Kind«, sagt Schwester Sophia. »Du musst zum Herrn beten, damit er dir hilft.«
Das Mädchen schüttelt den Kopf, die blauen Augen voller Verdruss. Seine Haut sieht krank aus, als hätte es die Gelbsucht. »Er hört mich nicht. Ich bin verloren. Ich bin ein böses, böses Mädchen.«
»Der Herr hört alle seine Kinder.« Schwester Sophia geht in die Hocke, ihr rundliches Gesicht ist weich und mitfühlend. »Wie heißt du?«
Das Mädchen kauert sich auf den Boden, das dunkle Haar fällt ihm ins Gesicht. »Stella. Oh, Schwester, bitte. Der Herr kommt in meinen Träumen zu mir, und ich bitte ihn jedes Mal um Vergebung, aber er spricht nicht mit mir.«
»Das sind Wahnvorstellungen von deiner Medizin, du Dummkopf«, bellt die dünne Krankenschwester sie an. Das Haar unter ihrer gerüschten weißen Haube sieht kraftlos und fettig aus. »Bösen Mädchen erscheint der Herr nicht.«
Schwester Sophia steht auf und zieht Stella mit sich. »Komm, setz dich zu mir, Stella. Wir beten zusammen.«
»Sie sind zum ersten Mal hier, oder?«, fragt mich die dicke Krankenschwester, als ihr auffällt, wie ich Addie beobachte, die sich neben das Krankenbett eines Mädchens mit zimtfarbenen Korkenzieherlocken kniet. Das Mädchen liegt vollkommen reglos auf dem Rücken und starrt an die Decke. »Die da war eine richtige Furie, als sie herkam. Hat die Vorsteherin gebissen und gekratzt. Kann man sich gar nicht vorstellen, was? Die würde keiner Fliege mehr was zuleide tun«, sagt sie lachend, und ihr Speichel trifft mich an der Wange. Ich muss mich zusammenreißen, ihn nicht sofort abzuwischen.
Sie deutet auf ein blondes Mädchen, das gerade vor Pearl einen Knicks macht. »Die da sagt, sie ist mit einem Prinzen verlobt! Macht sich immer noch die Haare schön, für den Fall, dass er sie besuchen kommt.«
»Sie dürfen keinen Besuch empfangen, oder?«
Am Ende der Reihe schlafen mehrere Mädchen zusammengerollt unter schäbigen braunen Decken.
Die Krankenschwester schüttelt den Kopf, sodass ihr Doppelkinn wackelt. »Oh nein, es ist das Beste, man hält sie von den normalen Leuten fern. Besonders die Mädchen hier oben. Die haben sich mit Händen und Füßen gewehrt, als sie eingeliefert wurden, und anfangs ihren Tee verweigert. Die kriegen jetzt Extramedizin. Davon bekommen ein paar von ihnen lustige Wahnvorstellungen, aber die meisten sind mucksmäuschenstill.«
Ich gebe mir Mühe, mir mein Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Mei geht die zweite Reihe von Betten entlang und ergreift die Hände von einem hübschen indisch aussehenden Mädchen, das sich zu einer Musik vor und zurück wiegt, die offenbar nur in seinem Kopf existiert. Als sie sich Mei zuwendet, sehe ich, dass sie ein blaues Auge hat und eine Platzwunde an der Wange.
»Was ist mit ihr passiert?«
»Oh, das ist eine von Bruder Cabots Lieblingen. Macht normalerweise nicht mehr so einen Ärger.«
»Eine von seinen … Lieblingen?«, wiederhole ich unsicher.
»Er mag die Hübschen« sagt die Krankenschwester und zwinkert mir zu.
»Ist das … üblich?«, frage ich. Ich muss an die hübsche Mina Coste denken und Jennie Sauter und all die anderen Mädchen aus Chatham, die
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