Tödlich ist die Nacht
Geheimnisse.
Er legte ja auch Wert auf seine Geheimnisse. Er war immer der Meinung gewesen, je weniger jemand von ihm wusste, desto besser. Wissen war Macht und konnte gegen ihn verwendet werden. Diese Lektion hatte er auf die harte Tour gelernt. Jetzt war sein Privatleben strikt privat. Niemand beim LAPD brauchte zu wissen, mit wem er sich traf oder was er außerhalb seiner Arbeitszeit tat.
Er erntete mit seiner Bemerkung ein verächtliches Schnauben. »Der Kerl verdient es, in ein Säurebad gesteckt zu werden.«
Sie sahen sich die Nachrichten des Tages auf CNN an. Diane hatte überall im Haus Fernseher stehen, und manchmal liefen alle gleichzeitig, so dass sie von einem Zimmer ins andere gehen konnte, ohne etwas zu verpassen.
Es war schon spät, aber nach einem Mord brauchte man immer einige Zeit, um die Anspannung abzuschütteln. Uniformierte Polizisten hatten an jede Tür im näheren Umkreis von Lowells Büro geklopft, aber die Läden waren nachts geschlossen, und sie hatten keine Menschenseele angetroffen. Andernfalls hätte Parker die ganze Nacht durchgearbeitet. Aber so hatte er den Tatort abgesperrt und war aufs Revier gefahren, um den Papierkram zu erledigen, wobei er Ruiz gezwungen hatte, ihn zu begleiten, statt wie eine rollige Katze Bradley Kyle hinterherzulaufen. Danach war er zum Craftsman-Bungalow von Diane auf der West Side gefahren.
»Ein Zweihundertfünfzigliterfass und hundertachtzig Liter Säure«, sagte er sachlich. »Stell das Fass in deinen Keller, lass es für den nächsten Hausbesitzer stehen, der kann es dann seinerseits für seinen Nachfolger stehen lassen.«
Die meisten Frauen hätten es vermutlich abstoßend gefunden, dass er solche Dinge sofort parat hatte. Diane nickte nur geistesabwesend.
In dem Bericht, der gerade gesendet wurde, ging es um die Auswahl der Geschworenen für Coles bevorstehenden Prozess, und in diesem Zusammenhang wurde die ganze widerliche Geschichte noch einmal aufgerollt – die Entdeckung von Tricia Crowne-Coles Leiche; die Beerdigung mit einem schluchzenden Norman Crowne am geschlossenen Sarg seiner Tochter, während sein Sohn sich über ihn beugt und ihn zu trösten versucht; zurück bis zu ihrer Hochzeit mit Rob Cole. Ein seltsames Bild: Cole im Frack von Armani posierend und Tricia, die aussah, als wäre sie seine hässliche ältere Schwester, die man vor dem Altar stehen gelassen hatte. Es wäre besser für sie gewesen.
»Sieh dir diesen Clown an«, sagte Diane, als Archivmaterial von Cole in seiner Rolle in einer kurzlebigen Fernsehserie mit dem bezeichnenden Titel B.S.: Bomb Squad gezeigt wurde. »Er
sieht aus, als ob er sich für jemand Besonderen hält.«
»War er ja mal.«
»In seiner Einbildung. Dieser Kerl hat nur eins im Kopf: sich selbst.«
Bei Diane gab es nie irgendwelche Unklarheiten. Ihre Meinung über Rob Cole stand fest. Sie hatte damals, vor mehr als einem Jahr, die Untersuchung am Tatort durchgeführt. Seither hatten sie und Parker dieses Gespräch wiederholt in den verschiedensten Variationen geführt. Jedes Mal, wenn der Fall Cole eine neue Phase erreichte und Coles Namen erneut in die Schlagzeilen brachte, flammten auch ihr Zorn und ihre Empörung neu auf.
»Weißt du, ich habe ihn einmal auf einer Party kennen gelernt«, sagte sie.
»Meine Erinnerung daran ist so lebhaft, als wäre ich dabei gewesen«, bemerkte Parker trocken. Sie hatte ihm seit dem Mord mindestens hundertmal davon erzählt. Irgendwie setzte die bloße Erwähnung von Coles Namen ihr Kurzzeitgedächtnis außer Kraft.
»Vor fünf oder sechs Jahren.«
»Er hat dich angemacht.«
»Er hat mir erzählt, er würde an einer neuen Serie arbeiten und gemeint, dass ich ihm vielleicht bei den Recherchen helfen könnte. Die Hauptfigur sollte ein Leichenbeschauer sein, der gleichzeitig Privatdetektiv ist. Was für ein Schwachsinn.«
»Er wollte dir nur an die Wäsche.«
»Während seine Frau nicht mal drei Meter von uns entfernt stand«, sagte sie voller Abscheu. »Er hat nur Augen für mich. Er ist der schlimme Junge. Er ist der Charmeur. Er ist der Herzensbrecher.«
»So wie er will jeder Mann sein, und so einen wie ihn will jede Frau«, sagte Parker.
»Er ist ein Scheißkerl.«
»Ich vermute mal, du hast dich noch nicht auf der ›Freiheit für Rob Cole‹-Website eingetragen«, sagte Parker und hob die Hände, um ihr den Nacken zu massieren. Ihre Muskeln waren so hart wie Drahtseile.
Sie machte ein finsteres Gesicht. »Die Leute sind einfach
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