Tödliche Aktien
auch kürzer?«
Ich hatte keine Ahnung.
»Nein«, sagte Rachel. »Es ist das ganze Jahr über Mai.«
Jenson war begeistert. »Klasse. Ich muß mir unbedingt auch so ’n Ding besorgen.«
Nun setzte er sich endlich und beugte sich vor. »Ich mach’ mir Sorgen um Ihr Unternehmen, Mark.« Ohne Umschweife auf den Punkt.
»Ach ja?«
»Ja. Sie werden in Kürze ein verdammt wichtiger Zulieferer für uns sein. Da müssen wir wissen, ob es Sie in den nächsten Jahren noch gibt. Werden Sie durchhalten?«
Da war sie, die Frage, mit der ich mich seit Richards Tod herumschlug, knallhart gestellt.
»Nun, zufällig bin ich heute morgen die Zahlen mit Willie Duncan, unserem Finanzleiter, durchgegangen, und …«
»Ach, lenken Sie doch nicht ab!« fuhr Jenson dazwischen. »Ich will ’ne klare Antwort. Gibt es FairSystems in zwei Jahren noch oder nicht?«
»Ich glaube, ja.« Aber ich konnte eine gewisse Unsicherheit in meiner Stimme nicht unterdrücken.
Durchdringend blickte er mich an. »So? Ich bin mir da nicht so sicher. Ich hab’ schon ’ne Menge Unternehmen den Bach runtergehen sehen. Und bei euch sind alle Anzeichen dafür vorhanden. Fallender Aktienkurs, Gerüchte um einen vertuschten Skandal, drohende Prozesse, Ersetzung des Gründers durch einen Finanzfachmann. Das kenn’ ich alles.«
»Das ist nicht fair«, protestierte ich. »Für Richards Tod können Sie uns kaum die Schuld geben. Und im technischen Bereich machen wir gute Fortschritte …«
»Hören Sie doch auf!« sagte Jenson. »Sie stecken in der Scheiße, das wissen wir beide. Sie schaffen es nicht. Gestern haben Sie mir selbst gesagt, daß Sie Schwierigkeiten mit der Leitung von FairSystems haben.«
Ich mußte um meine Fassung ringen. Wenn er die Absicht hatte, mich auf die Palme zu bringen, dann war ihm das gelungen. Schlimmer noch war die Panik, die mich überfiel. Offenbar wollte er den Vertrag für das Projekt Plattform rückgängig machen. Das wäre das endgültige Aus. Ich blickte Rachel an. Sogar sie sah bestürzt aus.
»Keine Sorge, wir setzen die Zusammenarbeit am Projekt Plattform fort«, sagte Jenson. »Ich halte es nur für besser, wenn wir die Vorschußzahlung erst im September leisten.«
Nein! Auf die fünfhunderttausend Pfund waren wir dringend angewiesen. Bis September konnten wir auf keinen Fall warten. Ich rief mir die Zahlen ins Gedächtnis, die Willie und ich am gleichen Morgen noch einmal durchgegangen waren. Ende Juni würde die Firma definitiv zahlungsunfähig sein.
»Mister Jenson«, sagte ich, »Sie wissen genau, wie wichtig der Cash-flow für ein kleines, aufstrebendes Unternehmen wie das unsere ist. Es wäre eine ziemliche Katastrophe, wenn Sie das Geld, das Sie uns schulden, nicht rechtzeitig bezahlen würden. Das wäre zudem Vertragsbruch, und wir könnten das Projekt Plattform stoppen.« Natürlich hatte ich keine Ahnung, wie der Vertrag für das Projekt aussah, aber darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen.
»Langsam, Fairfax. Ich bin sicher, daß Sie mit dem Projekt weitermachen. Sie haben keine andere Wahl. Das ist Ihre einzige Chance.«
Ich saß in der Klemme. Ein Kompromiß mußte her. »Vielleicht können Sie uns jetzt zweihundertfünf zigtausend zahlen und den Rest im Juli?« schlug ich vor.
»Nein.« Jenson ließ nicht mit sich reden. »Ich habe keine Lust, eine dreiviertel Million Dollar in den Schornstein zu schreiben und ein Riesenprojekt in den Sand zu setzen, nur weil Ihnen im nächsten Monat die Luft ausgeht. Das wäre dumm, und dumm bin ich nicht. Wenn Sie’s bis September schaffen, dann weiß ich, daß Sie mir länger erhalten bleiben, und Sie kriegen Ihr Geld. Wenn nicht, dann hatte ich wenigstens das Vergnügen, Sie kennengelernt zu haben.« Er gönnte mir ein rasches Lächeln. »Sie kommen doch aus der Finanzwelt. Da machen Sie das Geld schon locker. Rufen Sie doch einfach Ihre Wall-Street-Kumpels an.«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein, Carl«, sagte Rachel.
»Mein voller Ernst«, sagte er, »tut mir leid, Rachel.«
»Wenn Sie sich weigern, das Geld zu zahlen, das Sie uns schuldig sind, streichen wir das Projekt Plattform«, sagte ich, »und obendrein kriegen Sie einen Prozeß an den Hals.«
Jenson zog die Augenbrauen hoch. »Wollen Sie’s wirklich auf die harte Tour versuchen? Überlegen Sie sich’s noch mal. Ich fliege noch heute in die Staaten zurück. Rufen Sie mich morgen an, und sagen Sie mir, ob Sie weitermachen.« Damit sprang er von seinem Stuhl auf. »Macht’s gut!« Und
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