Tödliche Aktien
dachte ich, er würde doch eine Kapitalerhöhung vornehmen, aber ich täuschte mich. »Heute morgen ist FairSystems lebhaft gehandelt worden. Der Kurs ist auf fünf Dollar geklettert. Das wäre eine gute Gelegenheit zu verkaufen.«
Ich war erleichtert, daß der Kurs wieder anzog, blieb aber mißtrauisch. »Warten wir’s ab«, sagte ich. »Wer steckt dahinter? Frank Hartman?«
»Ganz ehrlich, ich weiß es nicht«, sagte Wagner.
Ich glaubte ihm kein Wort. »Okay, informieren Sie mich, wenn Sie weitere Käufe bemerken.«
»Und was ist mit meinem Kunden, der Ihr Unternehmen kaufen will?«
»Schaun wir mal«, sagte ich und legte auf.
Forschend sah David Baker mich an. Ich erzählte ihm, was mit dem Kurs passiert war.
»Wagner hat recht«, sagte er. »Genau der richtige Zeitpunkt, um zu verkaufen.«
Wieder klingelte das Telefon.
»Hallo, Mark, Carl Jenson. Wie geht’s?« Seine Stimme brachte die Drähte zwischen Schottland und Palo Alto zum Erzittern.
»Sehr gut, Carl.« Gespannt wartete ich, was er mir zu sagen hatte.
»Schön. Ich rufe Sie aus Gründen der Fairneß an. Heute informieren wir die amerikanische Börsenaufsicht, daß wir fünf Prozent der FairSystems-Aktien haben.«
Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ließ Jenson jetzt die Maske fallen?
»Wollen Sie ein Übernahmeangebot für das ganze Unternehmen machen?«
»Es ist ein hübsches kleines Unternehmen. Ich möchte einfach ein paar Aktien haben. Das ist alles.«
Die Gelegenheit war günstig. »Also, wollen Sie Ihre Entscheidung, die Vorauszahlung für das Projekt Plattform zu streichen, nicht noch mal überdenken?«
»Hören Sie, Mark. Ich hab’ nur aus Fairneß angerufen. Aber ich will nicht noch einmal über eine Sache verhandeln, die schon beschlossen ist. Wiederhören.« Die Leitung war tot.
Ich legte auf, atmete durch – und saß plötzlich kerzengerade in meinem Stuhl.
Das war’s! FairSystems war in play.
In play ist Spekulationsjargon und heißt, daß ein Unternehmen reif für eine Übernahme ist und daß ein potentieller Übernahmepirat sein Interesse öffentlich signalisiert hat. Das heißt, daß jeder, der die ta r get company kaufen will – also das Unternehmen, das Ziel des Übernahmeversuchs ist –, besser kein Geheimnis daraus machen sollte. Der Ausdruck in play ist durchaus angemessen, weil Großunternehmen und Wall-Street-Arbitrageure tatsächlich mit dem Aktienkurs des Zielunternehmens und letztlich seiner Zukunft spielen. Nur selten gelingt es einem Unternehmen, das sich in dieser Situation befindet, unabhängig zu bleiben.
Aber genau das hatte ich mit FairSystems vor.
Ich teilte David mit, was Jenson gesagt hatte. Dann bat ich Rachel und Willie in mein Büro und informierte sie über die neueste Entwicklung. Ich erklärte, ich sei entschlossen, die Unabhängigkeit von FairSystems zu erhalten. Rachel nickte, Willie sah besorgt aus. David lächelte nur. Das brachte mich etwas aus der Fassung, denn es hieß, daß er mir keine Chance einräumte.
Schließlich rief ich Sorenson in Kalifornien an. Von seiner Sekretärin erfuhr ich, daß er sich gerade geschäftlich in London aufhalte, und sie gab mir die Nummer des Hyde Park Hotels, in dem er wohnte. Zum Glück erreichte ich ihn gleich und teilte ihm die Neuigkeiten mit.
Sorenson zeigte sich unbeeindruckt. Sein uramerikanischer Akzent füllte den Telefonhörer, gelassen und beherrscht. »Gut. Das ist genau die Gelegenheit, auf die wir gewartet haben. Das treibt den Kurs in die Höhe. Sagen wir Wagner Phillips, er soll sich sputen. Wenn er rasch einen Käufer findet, behalten wir das Heft in der Hand. Dann können wir den besten Preis und die günstigsten Konditionen aushandeln.«
Das hatte Hand und Fuß, trotzdem dachte ich nicht daran, meine Pläne zu ändern. Ich konnte Sorenson nicht länger etwas vormachen.
»Nein.«
Es trat eine Pause ein. Als sich Sorenson schließlich wieder meldete, war seine Stimme ebenso ruhig wie vorher. »Warum sagen Sie nein, Mark?«
»Weil ich möchte, daß das Unternehmen unabhängig bleibt.«
»Das wäre mir auch das liebste«, sagte Sorenson beschwichtigend. »Aber das ist nun mal nicht möglich. Manchmal muß man den Ball eben loslassen. Wenn wir nicht sofort etwas unternehmen, wird FairSystems in drei Wochen Geschichte sein. Auf diese Weise bleiben wir wenigstens im Spiel. Wirklich, Mark, wir haben keine Wahl.«
»Mein Vater und ich können einen Verkauf verhindern«, sagte ich. »Ich werde nicht verkaufen.« Ich sagte das mit
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