Tödliche Aktien
hat.«
»Ist doch klar.«
»Hast du nicht Lust, dieses Wochenende nach Kirkhaven zu kommen?«
»Ich würde ja so gern, Mark, aber ich bin am Sonntag morgen mit Heather zum Tennis verabredet.«
»Es wäre wirklich besser für uns, Karen, wenn du kommen würdest«, sagte ich mit großem Nachdruck. »Wir haben in den letzten Wochen wenig Zeit füreinander gehabt, und das hat unserer Beziehung gar nicht gutgetan. Ich wünschte, du könntest es möglich machen.«
Sie schwieg einen Augenblick. »Ja, warum nicht? Ich kann Heather absagen.«
»Großartig. Nimm die Zehnuhrmaschine. Ich hol’ dich am Flughafen ab.«
Von dem Überfall erzählte ich ihr vorsichtshalber nichts. Die bevorstehende Sitzung war aufregend genug, da mußte ich sie nicht auch noch mit solchen Geschichten belasten.
Am Ende der Broad Street liegt King’s Arms, und im hinteren Teil des Pubs gibt es eine ruhige Bar, die überwiegend von Dozenten und Angestellten der Colleges besucht wird. Meist sitzen sie allein bei ihrem Bier, nur hin und wieder wechseln sie ein paar Worte, die ein Empfinden der Zusammengehörigkeit entstehen lassen, aber nicht zu viele, so daß sie sich beim Genuß von Bier und Pfeife nicht gestört fühlen. Ich wußte, daß mein Vater die Bar vor Jahren gelegentlich aufgesucht hatte.
Für mich selbst holte ich ein Pint Bitter und für ihn ein halbes. Dann setzten wir uns an einen kleinen Tisch.
Er wirkte angespannt. Nervös, aber nicht aggressiv, und blasser als bei unserem letzten Treffen. Seit Richards Beerdigung schien er sich nicht erholt zu haben. Sah man genauer hin, wirkten seine Augen teilnahmslos, fast tot.
»Danke, daß du gekommen bist«, sagte ich.
Er hob die Hand. »Nein, es ist schön, daß du gekommen bist.«
Er machte eine Pause, blickte auf sein Bier und seufzte. »Tut mir leid wegen der Abstimmung am Dienstag. Versteh mich bitte nicht falsch. Ich will dir nicht in den Rücken fallen. Ich weiß nur, wann man aufgeben muß. Walter ist alle Möglichkeiten durchgegangen. Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen uns geschlagen geben.«
Und er sah wirklich geschlagen aus. Mit grauem Gesicht und hängenden Schultern wirkte er zwanzig Jahre älter und viel kleiner, als ich ihn all die Jahre in Erinnerung gehabt hatte.
»Du hast selbst gesagt, daß FairSystems alles ist, was uns von Richard geblieben ist. Und daß wir es ihm schuldig sind, die Firma am Leben zu erhalten«, erinnerte ich ihn.
Dad nickte. »Ja, das habe ich. Aber das war eine sentimentale Anwandlung.« Er sprach langsam und ausdruckslos, und doch merkte man ihm die Verzweiflung an. »Richard ist tot. Niemand kann das ändern. Wenn FairSystems verkauft werden muß, dann müssen wir uns damit abfinden. Weder du noch ich können etwas dagegen unternehmen.«
»Doch, das können wir«, widersprach ich mit einer Entschiedenheit, die ihn verblüffte. Ich beugte mich vor. »Hat Richard dir je von seinem Traum erzählt, daß eines Tages auf jedem Schreibtisch ein VR-System steht?«
Dad lächelte matt. »Pausenlos.«
»Weißt du, wie nah er dran war, diesen Traum zu verwirklichen?«
»Er hat immer gesagt, er stünde kurz vorm Ziel.«
»Das ist richtig. Aber es waren wirklich nur noch vier Monate.« Ich begann ihm vom Projekt Plattform zu erzählen. Eigentlich war es immer noch streng vertraulich, aber ich mußte alles versuchen, um Dad zu überzeugen. Mochte er auch ein etwas weltfremder Professor sein, intelligent war er zweifellos. Daher begriff er die Zusammenhänge auch sofort. Täuschte ich mich, oder kam wieder etwas Leben in seine Augen?
Doch augenblicklich erlosch es wieder. »Was für ein Jammer, daß Richard es nicht mehr erleben kann.«
»Aber ich kann es, Dad! Ich kann es!« Ich umklammerte seinen Arm, als wollte ich ihn zwingen, sich meiner Auffassung anzuschließen. »Wenn du es schon nicht für Richard tust, dann tu es für mich. Es ist verdammt wichtig für mich. Im Augenblick das wichtigste überhaupt in meinem Leben. Bitte hilf mir! Bitte!«
Er sah mich an. In seinem Blick drückten sich höchst widersprüchliche Gefühle aus: Unentschiedenheit, Unsicherheit und Mißtrauen einem Sohn gegenüber, der ihn zehn Jahre lang abgelehnt hatte. Außerdem taxierte er mich. Zu welchem Ergebnis er dabei kam, vermochte ich nicht zu erkennen.
»Was deine Mutter angeht …«, begann er.
»Nicht jetzt, Dad.«
»Doch, jetzt«, sagte er, und plötzlich lag etwas Drängendes in seiner Stimme. »Du möchtest, daß ich etwas für dich tue. Gut,
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