Tödliche Aktien
sie schlauer geworden. Die Kursbewegungen zeigen, daß noch immer aufgrund von Insiderinformationen spekuliert wird. Wir haben sogar raffinierte Computerprogramme entwickelt, die solche Aktivitäten aufdecken. Aber es läßt sich sehr schwer herausfinden, wer dahintersteckt, und noch schwerer beweisen. Trotzdem, statistisch gesehen stößt man in diesen Fällen signifikant häufig auf den Namen Frank Hartman. Deswegen haben wir ihn ins Visier genommen.«
Stephenson beugte sich vor. Sie sah ernst und sehr entschlossen aus. »Wir lassen uns Zeit und wenden die gleichen Methoden an, mit denen wir Boesky schließlich erwischt haben. Wir greifen uns die schwächsten Glieder in der Kette. Bieten ihnen Straffreiheit an, wenn sie uns Informationen liefern und zum Schluß gegen Hartman aussagen. Auf diese Weise haben wir in den letzten beiden Jahren drei kleine Insiderspekulanten auf unsere Seite gezogen.
Im April haben wir dann einen Anruf von Ihrem Bruder Richard erhalten. Er hatte den Verdacht, daß mit FairSystems-Aktien illegale Geschäfte betrieben wurden. Mit einer sehr komplizierten Analyse hat er versucht, seine Vermutung zu beweisen.«
»Dann hatte Richard also Kontakt zu Ihnen? Das habe ich ja gar nicht gewußt.«
»Ja. Allerdings war es nur ein Telefongespräch kurz vor seinem Tod.«
»Und seine Analyse war richtig?«
»Unsere eigenen Systeme haben nichts Verdächtiges bei den FairSystems-Aktien entdecken können. Trotzdem waren unsere Analytiker der Meinung, Ihr Bruder könnte recht haben.« Sie lächelte. »Tatsächlich haben sie einige seiner Ideen in unser eigenes System übernommen. Jedenfalls haben wir Ihr Unternehmen von da an im Auge behalten. Und wie Sie ganz richtig vermuten, hat Frank Hartman sich mit illegalen Käufen ein größeres Aktienpaket erworben.«
»Können Sie das beweisen?«
»Schwer. Es wird sich kaum belegen lassen, daß all die Steueroasen-Fonds, die Ihre Aktien gekauft haben, miteinander in Verbindung stehen. Genausowenig können wir beweisen, daß Hartman über Insiderinformationen verfügt. Gibt es irgend etwas, was er über FairSystems wissen könnte und was öffentlich nicht bekannt ist? Etwas, was einen Kursanstieg bewirken könnte?«
Ich dachte einen Augenblick nach. »Es gibt zwei Möglichkeiten.«
»Ja?«
»Die erste wäre ein Übernahmeangebot von Jenson Computer. Obwohl Jenson offiziell noch kein Angebot unterbreitet hat, hat er fünf Komma sieben Prozent zusammengekauft, vielleicht sogar mehr.«
»Das wissen wir. Er hat das ordnungsgemäß gemeldet. Aber wir wissen nicht, ob Hartman vorher darüber informiert war.«
»Das könnte durchaus sein. Ich bin mir ziemlich sicher, daß Wagner Phillips für Jenson Computer arbeitet, und mit Sicherheit ist das die Brokerfirma, die Hartman geholfen hat, sich seine Anteile zu verschaffen.«
»Scott Wagner haben wir auch in Verdacht. Wir sehen ihm genau auf die Finger. Aber Sie haben von zwei Möglichkeiten gesprochen.«
»Ja, FairSystems ist im Begriff, eine technische Neuheit auf den Markt zu bringen. Eigentlich ist es eher eine neue Form der Zusammenarbeit. Ich kann Ihnen leider keine Einzelheiten nennen, aber der Codename ist Projekt Plattform. Wenn nun dieses Projekt so erfolgreich ist, wie wir glauben, dann könnte der Aktienkurs auf das Mehrfache seines heutigen Wertes klettern.«
Interessiert beugte sich Adele Stephenson vor. »Wer weiß von diesem Projekt?«
»Nur ein sehr begrenzter Personenkreis bei FairSystems. Und eine ähnlich kleine Gruppe bei Jenson Computer, darunter natürlich auch Carl Jenson selbst. Und bei Microsoft müßten auch ein paar Leute Bescheid wissen.«
Macchia unterbrach mich: »Die undichte Stelle, so es denn eine gibt, könnte also überall sein?«
»Das nehme ich an«, räumte ich ein.
Macchia nahm einen Bogen Papier auf.
»Wir haben uns ein bißchen mit Hartmans Methoden beschäftigt«, sagte er. Er war schmächtig, von dunkler Hautfarbe und trug einen kleinen Schnurrbart unter einer großen Nase. Vermutlich war er ein paar Jahre jünger als Adele. Wahrscheinlich ging es in dem Team nicht ohne Kompetenzstreitigkeiten ab. »Er hat in verschiedenen Steueroasen ein ganzes Netz von Fonds gegründet, die entweder von ihm selbst oder von einer Person seines Vertrauens kontrolliert werden. Dadurch wird jeder Aktienkauf, den er oder seine Freunde vornehmen, auf Dutzende von Strohmännern verteilt.«
»Verstehe.«
»Hier ist eine Liste von acht Firmen, die vermutlich mit Hartman in
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