Toedliche Blumen
ungefähr glauben Sie, war das?«
Die blassblauen Augen blinzelten.
»Das weiß ich nicht.«
»Können Sie sich daran erinnern, ob es vor oder nach dem Mittagessen war?«
»Es war nach dem Essen, denn Anton war bereits da gewesen«, sagte sie und sah plötzlich aus, als hätte sie etwas Falsches gesagt.
»Anton?«
»Mein Junge.«
»Ja. Er kommt immer und besucht mich.«
»Kommt er jeden Tag?«
Ihr Nicken war kaum zu erkennen.
»Wie lange blieb er?«
»Eine Weile. Vielleicht eine halbe Stunde«, antwortete sie vage.
»Sie aßen also zusammen.«
»Ja.«
»Dann kommt er also und kocht das Mittagessen für Sie. Wie nett!«
Seine Vermutungen waren zu voreilig gewesen, denn Viola Blom winkte ab.
»Das Essen bekomme ich fertig geliefert. Ich muss es mir redlich von meiner Rente absparen.«
»Sie sahen die Frau und das Mädchen also nach dem Essen?«
»Ja.«
»War Anton zu dem Zeitpunkt noch bei Ihnen?«
»Nein! Da war er schon fertig mit dem Essen.«
Die Antwort kam kurz und bündig, und dennoch machte sie erneut den Eindruck, als hätte sie ein Geheimnis ausgeplaudert.
»Aha. Er isst also bei Ihnen und geht danach wieder?«
Darauf antwortete sie nicht.
»Wie alt, glauben Sie, könnte das Mädchen gewesen sein?«, nahm er den Faden wieder auf.
»Vielleicht zehn. Oder auch fünfzehn.«
»Ist Ihnen noch etwas aufgefallen? Haben die beiden zum Beispiel etwas in den Händen gehabt? Taschen, Beutel …?«
»Nein. Sie schoben ein Fahrrad.«
»Was für ein Fahrrad?«
»Ein gewöhnliches Fahrrad. Aber es war eher klein.«
»Ein Kinderfahrrad?«
»Nicht ganz so klein.«
»Ein mittelgroßes Fahrrad? Das des Mädchens vielleicht?«
»Vielleicht.«
»Haben Sie das Mädchen schon einmal zuvor gesehen?«
»Ich weiß nicht. Die Kinder wachsen ja alle so schnell.«
»Ich meine: neulich.«
Sie versank in Gedanken.
»Nein«, sagte sie dann bestimmt. »Aber danach kam sie, also das Mädchen, zurück.«
»Aha!«
»Ja. Ein Mann holte sie ab, legte das Fahrrad ins Auto, und dann fuhren sie weg.«
»Wie viel Zeit war bis dahin vergangen?«
»Ich weiß nicht. Ein paar Stunden vielleicht.«
Er nickte und konnte sich vorstellen, wie sie eingedöst war, geträumt und darüber die Zeit vergessen hatte.
»Können Sie sich daran erinnern, ob es noch hell war, als der Mann das Mädchen abholte?«
»Es war kalt und bewölkt an dem Tag. Es hagelte sogar. Also war der Himmel fast die ganze Zeit über dunkel.«
»Sie hatten nicht zufällig das Radio laufen?«
»Nein, warum?«
»Wenn Sie Radio gehört hätten, würden Sie mir vielleicht sagen können, welches Programm zu dem Zeitpunkt lief.«
Sie starrte geradewegs vor sich hin.
»Aber ich habe kein Radio gehört. Ich schalte das Radio inzwischen nicht mehr ein. Ich höre schlecht, und außerdem berichten sie nur über bedrohliche Dinge.«
»Können Sie noch mehr zu den Vorkommnissen an diesem Tag sagen?«
»Es liefen noch mehr Leute dort herum, die man sonst nicht zu Gesicht bekommt.«
Er blickte sie erneut an, zückte seinen Kugelschreiber und wartete. Es zischte leicht, wenn sie durch die Nase atmete. Aus ihren Nasenlöchern lugten schwarze Haarbüschelchen. Vielleicht waren sie im Weg. Auch auf ihrem Kinn sprossen einzelne schwarze Barthaare. Sowohl Hände als auch Gesicht der alten Frau waren vereinzelt mit dunklen Pigmentflecken versehen.
»Also«, begann sie nach einer Weile Bedenkzeit. »Eine Frau, eine ziemlich magere, die in den Hof ging … und nach einer Weile wieder zurückkam.«
»Das klingt interessant.«
»Sie hatte es eilig«, setzte Frau Blom hinzu.
»Woher wissen Sie das?«
»Wie bitte?«
Sie hielt eine Hand hinter ihr Ohr.
»Warum glauben Sie, dass Sie es eilig hatte?«
Sie schaute ihn verwundert an.
»Weil man es sah, natürlich.«
»Ging sie schnell?«
»Ja, und sie war böse.«
Peter Berg nickte. Der Wasserhahn in der Küche tropfte noch immer.
»Dann setzte sie sich ins Auto, woraufhin ein Mann aus dem Wagen sprang und in den Hof ging.«
Peter Berg entschied sich, sie nicht zu unterbrechen, auch wenn es ihm unter den Nägeln brannte. Seine Geduld war bereits einigermaßen strapaziert, und eine träge Müdigkeit machte sich bemerkbar.
»Und er kam dann auch zurück«, fügte sie nach einer Weile hinzu. »Und dann fuhren sie weg. Viel zu schnell. Solche Leute müsste man einsperren. Stellen Sie sich vor, es wären Kinder auf der Straße gewesen. Sie hätten überfahren werden können … wie furchtbar«, schloss sie mit
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