Toedliche Blumen
Menschen sanft und leicht klangen, weil die Sonne sie beflügelte. Sie stapfte die leicht ansteigende Östra Torggatan hinauf, passierte nacheinander das Gebäude der Freikirche Filadelfia und das Stadshotellet, das erste Hotel am Platz, und bog in die Ordningsgatan ein. Dort nickte sie Doktor Björk zu – dem so genannten ruhenden Pol und Sinnbild der wahren Menschlichkeit –, der auf seinem Fahrrad in Richtung des Ärztehauses unterwegs war. Schließlich riss sie die gläserne Eingangstür zum Polizeigebäude auf, nickte der Frau an der Rezeption, die Nina Persson vertrat, flüchtig zu, nahm die Treppen nach oben, während sich ein ekelhafter Geschmack in ihrem Mund ausbreitete, warf die Tasche in ihr Zimmer und stürzte zur Toilette. Dachte im Stillen, dass am Montag alles vorbei sein würde. Jedenfalls hatte sie dann ihren Termin für eine medizinische Beratung. Und würde erfahren, ob es sich so verhielt, wie sie vermutete. Konnte einen Abbruch planen. Dieses kühle Wort, trocken wie Zunder, ein Fachterminus, den man nur der Distanz wegen anwendete. Und wenn das schließlich überstanden war, dann würde sie sich um alles andere kümmern. Dann.
Neue Abschlüsse. Sie wollte ihre eigenen Grenzen ausloten, eines nach dem anderen abhaken.
Janos hatte verlangt, dass sie ihn ausbezahlte, wenn sie weiterhin im Reihenhaus wohnen wollte. Er hatte darauf hingewiesen, dass schließlich sie es war, die eine Scheidung anstrebte, was sie natürlich explodieren ließ. Er war es doch, der eine Affäre angefangen hatte, und nicht sie! Und die Mädchen? Waren sie ihm plötzlich völlig egal?
Ein logischer Umkehrschwung, mit dem Janos sie geradezu rasend machte.
Sie musste in Zukunft besser aufpassen.
Ebenso würde sie gezwungen sein, sich allmählich daran zu gewöhnen. Denn wie sie die Dinge, und vor allem das, was man Gerechtigkeit nannte, auch drehte und wendete, sie würde seine Art von Logik nie nachvollziehen können.
Eine angemessene Form der Gerechtigkeit würde sie niemals finden.
Monicas Worte klangen ihr in den Ohren. Ihre Freundin hatte natürlich Recht, sie konnte das, was Louise im Moment aufgrund ihres eigenen Involviertseins und nicht zuletzt ihrer Verzweiflung nicht zu sehen vermochte, viel besser überblicken. Janos war ihr bester Freund gewesen. Ihr Vertrauter. Aber jetzt verhielt sich anscheinend alles anders. Weiß war plötzlich schwarz geworden. Oder, besser gesagt, rot wie Blut.
Janos wollte von ihrem gemeinsamen Kredit zurücktreten. Mit anderen Worten: ein Verkauf zum marktüblichen Preis, was erfreulicherweise eine höhere Summe bedeutete als die, für die sie das Reihenhaus gemeinsam gekauft hatten. Und das war zehn Jahre her. Üblich wäre es allerdings in einem Fall wie diesem gewesen, seinen Anteil des Kredits zu behalten und Louise in Zukunft für die Betriebskosten aufkommen zu lassen. Kredite wurden selten umgeschrieben, das hatten sowohl der Rechtsanwalt als auch die Bank bestätigt.
Louise leerte den Inhalt ihrer Tasche auf dem Schreibtisch aus, suchte zwischen Papieren und Müll und fand schließlich das lose Blatt, auf dem sie die Telefonnummer von Folke Roos notiert hatte. Sie sah sich gezwungen, ihre Energien anderweitig einzusetzen, um nicht in ein tiefes Loch zu fallen.
Sie wählte seine Nummer und wartete eine halbe Ewigkeit. Schließlich nahm er ab. Er sprach langsam und bedächtig. Sie erklärte, wer sie war und dass sie gerne vorbeikommen würde. Sie war sich nicht ganz sicher, ob die Information bei ihm ankam, aber so wusste sie zumindest, dass er zu Hause war.
Folke Roos wohnte im Marieborgsvägen, relativ dicht am Meer, in einer eingeschossigen Villa mit mindestens ein paar hundert Quadratmetern, wie sie schätzte. Das Haus war über Eck gebaut und besaß eine windgeschützte Terrasse zum Wasser hin. Nicht mal in ihren kühnsten Träumen konnte sie sich vorstellen, so zu wohnen. Sie wusste nicht einmal genau, ob sie es wirklich wollte, denn es war sicherlich mit viel Mühe und enormem Aufwand verbunden, das Anwesen in Schuss zu halten. Doch Folke Roos schien in den letzten Jahren weder besonders viel Mühe noch Aufwand investiert zu haben. Der Garten sah zwar nicht völlig verwildert aus, da er auf eine einzige öde Grasfläche reduziert worden war, die so früh in der Saison noch nicht gemäht werden musste. Aber die gräulich weiße, ziemlich marode Fassade, die mit Unkraut überwucherte Auffahrt und die fadenscheinigen Gardinen, die an den Fenstern hingen, deuteten
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