Toedliche Blumen
auf eine schon länger vorherrschende Kraftlosigkeit ihres Besitzers hin. Es handelte sich nicht direkt um Verwahrlosung, aber es ging in die Richtung. Ein mit den Jahren verschwundener Glanz. Louise konnte gut verstehen, dass der Mann dort wohnen bleiben wollte. Sie gehörte nicht zu denjenigen, die meinten, man sollte ältere Menschen in altersgerechte kleine Wohnungen mit pflegeleichtem Fußboden verpflanzen, wenn sie nicht selbst davon überzeugt waren. Man musste eben die Nachteile in Kauf nehmen.
Folke Roos war um die achtzig. Er ging schwerfällig. Was seine geistige Verfassung betraf, schien er jedoch keine größeren Einschränkungen aufzuweisen.
Louise Jasinski brachte ihr Anliegen vor und wurde umgehend durch die Eingangstür aus massiver Eiche hereingebeten. Herr Roos trug eine Hose, die etwas schlaff von seinem Gesäß herabhing, vermutlich war er einmal ein sehr stattlicher Mann gewesen. Ansonsten sah seine Kleidung gepflegt aus. Aus dem Ausschnitt seines gestreiften Oberhemds lugte ein weißes Unterhemd hervor. Darüber trug er eine graue Strickjacke.
»Doris, ja«, sagte er wie zu sich selbst.
Sie durchquerten den recht großen Flur mit weinrot-gold gestreiften Tapeten an den Wänden und setzten sich in die Küche.
Die Küchenschränke waren aus dunklem Holz, die Kacheln in einem matten Grün gehalten. Die gesamte Einrichtung wirkte von ihrer Farbgebung etwas gedämpft und leicht deprimierend, sie war jedoch hochwertig und insgesamt ziemlich luxuriös und sicher einmal sehr teuer gewesen. Louise hätte in einer chronischen Melancholie gelebt, wenn sie tagtäglich ihren Morgenkaffee von diesen düsteren Wänden umgeben hätte einnehmen müssen.
»Sie wissen, was Doris passiert ist?«, begann sie vorsichtig, für den Fall, dass die Nachricht ihres Todes den Mann noch nicht erreicht hatte.
Er rückte den Stoff seines Hosenbeins zurecht, strich entlang der tadellosen Bügelfalten, zog ein weißes Taschentuch aus der einen Hosentasche, schnäuzte sich geräuschvoll und steckte es schließlich umständlich wieder zurück.
»Doch, ich weiß«, antwortete er, den Blick auf den Boden gerichtet.
»Wir suchen nach dem Grund für ihre Misshandlung«, erklärte Louise und machte eine Pause. »Wir versuchen herauszufinden, wer sie niedergeschlagen hat. Alle Informationen, die Sie uns zu Doris geben können, sind wichtig.«
Er räusperte sich.
»Tja, was soll ich sagen …«
»Vielleicht können Sie damit beginnen, wann Sie sie zuletzt getroffen haben?«
»Das war wohl letzte Woche.«
Er hatte einen weichen Dialekt, der klang, als käme er aus dem Norden.
»Aha. Und an welchem Tag?«
Er schwieg.
»Vielleicht ist es nicht so leicht, sich daran zu erinnern«, sagte Louise sanft.
»Es war wohl am selben Tag, als …«
Eine Stille, bleich wie der Tod, breitete sich aus, in der Louise in einiger Entfernung ein Flugzeug hören konnte.
Sie entschied sich, nicht danach zu fragen, warum er sich nicht bei der Polizei gemeldet hatte.
»Wo trafen Sie sie?«
»Sie kam immer zu mir«, antwortete er. »Und dann sind wir ein Stück mit dem Auto herumgefahren.«
»Wie oft taten Sie das?«
»Das war unterschiedlich.«
»Und sie ist also am Freitag letzter Woche bei Ihnen gewesen?«
Er nickte. Für sein Alter hatte er ungewöhnlich dickes und dichtes Haar, das nach hinten über den Kopf gekämmt war. Ein stilvoller Mann. Sein Gesicht war natürlich von Falten durchzogen, besaß aber Charakter.
»Darf ich fragen, wann Doris Västlund an dem Freitag, als sie zuletzt hier war, wieder gefahren ist?«
»Ich habe wirklich versucht, mich zu erinnern. Eigentlich jeden Tag neu«, antwortete er und schaute hastig zu Louise auf. »Es war nicht gerade angenehm, sich mit diesen Gedanken zu befassen … Das war es wahrhaftig nicht«, betonte er wie zu sich selbst.
»Das kann ich verstehen.«
Sie fühlte sich plötzlich nicht länger ungeduldig, im Gegenteil. Hier konnte sie im Halbdunkel mit einem einsamen Mann sitzen und reden, der keine schnellen Lösungen vom Leben erwartete. Eine Art Akzeptanz der Langsamkeit, die in dieser schnelllebigen Zeit fast schon wieder modern wirkte. Noch dazu ging es in ihrem Gespräch keinesfalls um sie selbst, im Gegenteil, sie konnte sich ein wenig darin ausruhen.
»Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?«
»Es muss um sechzehn Uhr herum gewesen sein, glaube ich. Möglicherweise etwas früher. Sie wollte nach Hause in die Waschküche«, erklärte er, während seine Augen liefen,
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