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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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doch es handelte sich nicht um Tränen. Das Taschentuch kam erneut zum Vorschein.
    Louise kramte einen kleinen linierten Spiralblock aus ihrer Jackentasche. Solche Blöcke hatte sie überall herumliegen; in allen Hand- und Jackentaschen, im Handschuhfach, neben dem Telefon, auf ihrem Nachttisch.
    »Wie lange haben Sie Doris eigentlich gekannt?«
    »Oh, oh, oh, das ist eine lange Geschichte«, antwortete er und klang, als sei diese Geschichte sowohl zu exaltiert als auch zu umfangreich, um sie geradewegs vor einer Polizistin und noch dazu am Küchentisch aus dem Ärmel zu schütteln.
    »Lassen Sie mich hören!«, lächelte Louise ihn auffordernd und mit einer nicht geringen Portion Neugier in der Stimme an.
    Erzählen zu dürfen war das, wonach die meisten Menschen sich sehnten. Viel schwerer hingegen war es, jemanden zu finden, der die Zeit und noch dazu genügend Geduld besaß, um zuzuhören.
    »Tja, wo soll ich anfangen?«
    »Von Beginn an, das ist vielleicht am einfachsten.«
    »Wir begegneten uns, als meine Kinder noch klein waren. Ich lebte ja allein. Meine Frau Catherine war verunglückt. Ein Autounfall.«
    »Das ist tragisch.«
    »Aber es war nicht ihre Schuld! Ein Raser … ja … und dann stand ich da mit den Kindern. Sie waren noch nicht so alt, fünf und zehn Jahre. Und dann lernte ich Doris kennen. Sie war eine hübsche Frau«, sagte er und lächelte versonnen angesichts der Erinnerung, woraufhin er seine Zähne entblößte, die noch die eigenen zu sein schienen, ein natürliches, ebenmäßiges Gebiss mit einer dem Alter entsprechenden Verfärbung ins Gelblichgraue.
    »Und dann begannen Sie sich regelmäßig zu treffen?«
    »Tja, wie soll ich sagen. Erst einmal sahen wir uns nur sporadisch. Sie war ein unglaublich lebensfroher Mensch. Und sie konnte ausgesprochen gut kochen! Außerdem wusste sie, was sich gehört … Ja, und nach einer Weile zog sie dann zu mir und den Mädchen.«
    Sein Bericht stockte plötzlich. Die leicht bläulichen Lippen bewegten sich, er befeuchtete sie mit der Zunge, doch die Fortsetzung blieb aus.
    »Darf ich fragen, wie Sie sich kennen lernten?«, versuchte Louise ihn wieder in Gang zu bringen, wobei sie beide Unterarme auf den Küchentisch legte und sich etwas vorbeugte.
    Er sah ein wenig verlegen aus.
    »Ach, das war gar nicht so außergewöhnlich. Ich habe eine Anzeige in die Zeitung gesetzt.«
    »Da kann man mal sehen! Das tun offensichtlich mehr Leute, als man meint. Und es war doch bestimmt auch gut für Ihre Kinder, oder?«
    Er schaute sie zweifelnd an, woraufhin sein Blick auf den ziegelsteingemusterten Bodenbelag wanderte.
    »Wie Sie wissen, ist es nicht immer leicht.«
    »Nein, ganz gewiss nicht«, stimmte sie zu und klang dabei verständnisvoll.
    »Das Leben läuft nicht immer so, wie man es sich denkt.«
    Nein, weiß Gott nicht, dachte Louise.
    »Aber was genau war denn nicht so leicht?«
    »Wenn man Kinder hat und eine neue Frau ins Haus kommt … Es war sehr tragisch, als Catherine starb. Sie war eine sehr umgängliche Person.«
    »Und das war Doris nicht, wollten Sie sagen?«
    »Ja, wie soll ich es ausdrücken?«
    Stille.
    »Doris konnte extrem wechselhaft sein«, stellte er schließlich fest.
    »In welcher Hinsicht?«
    »Ihre Launen. Weder für meine Kinder noch für Doris selbst war es einfach. Meine Töchter fühlten sich überhaupt nicht wohl mit ihr hier zu Hause, und wenn man ehrlich sein soll, war sie, offen gesprochen, manchmal abscheulich, furchtbar launisch, aber vielleicht hing es damit zusammen, dass sie nicht ausgelastet war. Und dann wieder konnte sie einfach wunderbar sein. Damit konnte ich ja noch umgehen, aber die Kinder nicht. Sie waren ja viel mehr mit ihr zusammen als ich, da ich zu der Zeit sehr oft beruflich auf Reisen war. Ich arbeitete die meiste Zeit, und das bereitete mir phasenweise auch ein ziemlich schlechtes Gewissen, aber was soll man machen? Ich hatte ja einen Glasereibetrieb, einen recht großen, wenn ich das mal so sagen darf«, führte er aus und sah dabei genauso stolz aus, wie er klang. »Das Geschäft lief gut, und es fliegen einem ja bekanntlich keine gebratenen Tauben in den Mund, sondern man muss hart dafür arbeiten! Das habe ich schon als kleiner Junge gelernt.«
    »Doris hatte aber doch einen Sohn«, warf sie ein.
    »Ted, ja. Er war damals schon erwachsen und wohnte nicht mehr zu Hause. Wie es ihm wohl ergangen sein mag?«
    Er schaute mit leeren Augen auf den avocadofarbenen Kühlschrank vor sich.
    Louise kommentierte

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