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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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vorbei wäre. Vielleicht.
    Sie lief planlos durch die Wohnung, riskierte einen Blick in die Waschküche, sortierte dort die Schmutzwäsche, die sich in der vergangenen Woche angehäuft hatte, und startete eine Maschine mit Buntwäsche. Auf diese Weise würden ihre Jeans, die sie zurzeit am liebsten trug, wieder sauber werden. Dann drehte sie eine Runde im Wohnzimmer, das mit seinen großen, nach wie vor ungeputzten Fenstern direkt nach Westen auf einen kleinen Garten wies, dessen Bepflanzung sich in diesem Jahr für sie wohl kaum lohnen würde.
    Die tagsüber so wunderbar strahlende Sonne war gerade dabei, hinter den Baumkronen zu verschwinden. Sie betrachtete den matten, goldfarbenen Himmel. Und genau wie vor einigen Stunden an der Badestelle von Havslätt brach es jetzt aus ihr heraus. Wie ein leichter Schlag von einer Fischflosse. Nicht stärker. Ihre Tränen spiegelten das Licht in ihren Augen, brachten es zum Leuchten und ließen sie dadurch nicht zuletzt die schönen Seiten des Lebens betrachten.
    Es hätte allerhand aufzuräumen gegeben, Zeitungen, Pullis, löcherige Strümpfe, eine leere Popcornschale, aber sie ließ alles liegen, wie es war. Aus der Vertiefung des Polsters ihres ziemlich abgenutzten Ecksofas mit dem hellen, im Laufe der Zeit fleckig gewordenen Lederbezug – sie hatten es vor vielen Jahren zum Sonderpreis erstanden – lugte eines von Gabriellas Schulbüchern hervor, nach dem sie am Morgen wie verrückt gesucht hatten. Sie nahm das Buch und legte es auf die rot gestrichene Kommode im Flur.
    Daneben auf dem Fußboden stand ihre schwarze Schultertasche mit offenem Reißverschluss. Die grün-weiß gemusterte Tüte aus der Apotheke schaute heraus. Manchmal hatten die Dinge eine Neigung zu sprechen, besonders dann, wenn man verzweifelt und einsam war. Mach es!, schien die Schachtel in der Tüte ihr zuzurufen. Jetzt sofort!
    Sie beugte sich hinunter und zog die Tüte aus der Tasche, öffnete die Verpackung, las die Gebrauchsanweisung und ging unmittelbar auf die Toilette.
     
    Veronika spürte an der Schwere ihrer Tochter auf dem Schoß, an diesem entspannten Loslassen, dass sie eingeschlafen war. Sie wurde selbst etwas schläfrig. Vor dem Zugfenster bereitete sich die Landschaft auf den Frühling vor. Der Frost war aus dem Boden gewichen, das Gras auf den Wiesen richtete sich langsam auf, Huflattich und Leberblümchen begannen zu blühen.
    Die ersten beiden Arbeitswochen waren recht intensiv gewesen, ein klassischer Blitzstart. Sie mochte es, viel zu tun zu haben, aber vielleicht war es doch ein bisschen zu viel gewesen. Das Tempo war zu hoch gewesen. Während sie im Zug saß und Småland an sich vorbeiziehen sah, beschlich sie das Gefühl, etwas vergessen oder möglicherweise sogar versäumt zu haben, doch es handelte sich dabei mehr um eine Vermutung als eine konkrete Unterlassung. Vermutlich hatte sie vollkommen verdrängt, wie es war, zunehmend von diesem unterschwelligen und völlig sinnlosen schlechten Gewissen ausgehöhlt zu werden. Ein Gefühl, nicht zu genügen und dabei viel zu hohe Ansprüche an sich selbst zu stellen. Allen ständig zu Diensten sein zu wollen. Aber das funktionierte natürlich in der Praxis nicht. Darüber war sie sich vollständig im Klaren.
    Auf Höhe von Alvesta begann sich die nagende Missstimmung zu legen. Sie dachte eher über allgemeine Dinge nach. Lehnte ihren Kopf gegen die Nackenstütze und versuchte, ihre Beine ein wenig auszustrecken, ohne dass Klara herunterrutschte und sie den rundlichen Mann ihr gegenüber einengte.
    Sie nahm ein Buch zur Hand, doch ihre eigenen Gedanken drängten sich zwischen die Zeilen.
    In der Klinik hatte sich die Stimmung im Vergleich zu der Zeit vor ihrem Mutterschutz vor einem Jahr verändert. Dass sie so schnell umschwingen konnte! Sie versuchte zu ergründen, worin die Veränderung eigentlich genau bestand. Eine Erklärung zu finden, doch das war nicht ganz leicht.
    In der Zwischenzeit waren zwei weitere Ärztinnen in der Klinik angestellt worden, was ihr entgegenkam, da die Frauen ansonsten erheblich in der Minderzahl gewesen wären. Nur Else-Britt und sie hatten die weibliche Ärzteschaft repräsentiert, nachdem Maria Kaahn vor ein paar Jahren gestorben war. Doch man hatte auch mehr männliche Ärzte eingestellt, hoch qualifizierte, aber vor allem alte Freunde von Petrén. Interessante Persönlichkeiten, die das Arbeitsumfeld insgesamt mit Wissen und Erfahrung bereicherten. Aber nicht ausschließlich damit. Es hatte sich

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