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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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gelblichen Licht des hinteren Kais zeichneten sich einige Schiffsrümpfe ab. Zumindest Conny Larsson wusste aus Erfahrung, dass jederzeit ein Betrunkener zwischen den Lagerschuppen hervortorkeln konnte, denn er fuhr schon seit einigen Jahren in der Stadt Streife.
    Es war später Freitagabend, und im Hafen herrschte zwar kein reges Treiben, doch immerhin waren einige Menschen unterwegs, und die wenigen, aber recht beliebten Kneipen im Hafenviertel waren gut besucht. Es kam schon einmal vor, wenn auch nicht übermäßig oft, dass jemand ins Wasser fiel und sie ihn herausfischen mussten. Doch meistens hingen diese Vorfälle eher mit Schlägereien und Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gangs zusammen.
    »Sie wird früher oder später schon wieder zu Hause eintrudeln«, sagte Conny Larsson in seinem breiten värmländischen Dialekt zu seiner Kollegin Jönsson, die sich nichts anderes traute als zurückzunicken. Was hätte sie auch sagen sollen? »Meistens enden derlei Ausflüge jedenfalls so. Vielleicht ist das Mädchen einfach nur sauer auf seine Mutter«, fügte Larsson hinzu, nicht ohne ein wenig Hoffnung im Hinterkopf, dass es tatsächlich so sein möge.
    Conny Larsson hatte dennoch die Statistik klar vor Augen. Er gehörte zu denen, die frühzeitig eine Spezialausbildung nach einer amerikanischen Methode für das Auffinden Verschwundener durchlaufen hatten, die einem strikten systematischen Plan folgte, der sich auf langjährige Beobachtungen und Erfahrungen im Hinblick auf ähnliche Situationen stützte. Seitdem die Suchaktionen der Polizei nach dieser Methode verliefen, hatte sich die Anzahl der Wiedergefundenen schlagartig verdoppelt. Sie erforderten allerdings einen Arbeitseinsatz mit voller Bereitschaft über ganze drei Tage und Nächte. Danach teilte man die Sucharbeiten den jeweiligen Umständen entsprechend ein, die natürlich von Fall zu Fall variierten.
    Doch Larsson wusste ebenso, und das belastete ihn in dieser Situation nicht gerade wenig, dass von denen, die sich verlaufen hatten und innerhalb von vierundzwanzig Stunden wiedergefunden wurden, statistisch gesehen, die Hälfte nur noch tot gefunden werden konnte. Die meisten der Opfer waren natürlich alte Menschen. Ein Herzleiden oder ein anderes Gebrechen verschlechterte sich rapide unter langfristiger Stresseinwirkung, die oftmals durch Angst und Panik ausgelöst wurde.
    Aber mit Kindern verhielt es sich etwas anders. Ihnen konnte alles Mögliche zugestoßen sein. Deshalb mussten sie auch mit größeren Schwierigkeiten rechnen, als dass sie sich nur verlaufen hatte. Dazu kam, dass es sich um ein Mädchen handelte! Es liefen viele bösartige Menschen herum, auch psychisch kranke oder verrückte. Und solche, die sich an Kindern vergriffen. Und die nicht einmal davor zurückschreckten, sie danach zu töten.
    All diese Gedanken schossen dem friedfertigen Conny Larsson durch den Kopf, und er versuchte mit aller Macht, sich dagegen zu wehren. Auf eine andere Alternative, als das Mädchen lebend zu finden, war er im Augenblick nicht eingestellt. Ganz und gar nicht. Höchstens darauf, dass sie über ihr Fernbleiben möglicherweise selbst erschrocken war. Am liebsten sähe er es natürlich, dass sie von selbst wieder zurückkam.
    Der Solvägen war eine Straße mit ungefähr dreißig Jahre alten, in Massenproduktion erbauten Mietshäusern, die der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft gehörten und deren Mieten nicht gerade niedrig waren, auch wenn die Wohnungen zum Teil bereits abgeschrieben und noch dazu schwer zu vermieten waren. Die Mehrheit der Bewohner erhielt Wohngeld, sodass die Mieteinkünfte relativ stabil waren. Allerdings war die Infrastruktur in diesem Gebiet nicht besonders ausgeprägt, und die Straßen wirkten regelrecht ausgestorben, vor allem um diese Tageszeit.
    Als sie das Treppenhaus betraten, roch es nach Essensdünsten, die sich jedoch schon im ersten Stock wieder verflüchtigten. Larssons und Jönssons derbe Schuhe hallten bei jedem Schritt. Sie nahmen in der Eile wie synchronisiert jeweils zwei Stufen auf einmal, obwohl sie sich beide versuchten einzureden, dass das Mädchen die Zeit vergessen hatte und zu lange bei einer Freundin geblieben war.
    Conny Larsson klingelte an der Wohnungstür, die unmittelbar aufgerissen wurde, woraufhin ihnen ein verweintes und völlig verängstigtes Gesicht entgegenblickte.
    »Es ist noch nie vorgekommen, dass sie nicht mal einen Zettel geschrieben hat«, schluchzte die Mutter, deren ganzer Körper

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