Toedliche Blumen
vorsichtig den Karton vom Schrank gehoben haben. Und hätte nicht vorher wie ein Verrückter um sich geschlagen und dabei den ganzen Keller eingesaut.«
»Der einzige Verhörte, der sich, theoretisch gesehen, relativ leicht einen Zugang zur Wohnung hätte verschaffen können, ist nach wie vor Kjell E.«, rief sich Peter Berg in Erinnerung.
»Nur merkwürdig, dass er das Geld nicht an sich genommen hat«, entgegnete Erika.
»Doris Västlund setzte vielleicht so großes Vertrauen in ihn, dass sie ihm sogar einen Schlüssel überlassen hat«, schlug Peter Berg vor.
»In dem Fall ist es ja noch unverständlicher, dass der Karton noch da ist«, konterte Erika.
»Er scheint ein Händchen für Frauen zu haben, der gute Johansson. Wie seltsam uns das auch erscheinen mag«, warf Lundin ein.
Erika und Louise wechselten einen Blick.
»Er besitzt eben eine gewisse Ausstrahlung«, zog ihn Louise auf.
»Frauen sind schon merkwürdig«, entgegnete Lundin.
»Ja, manchmal sind wir das. Heiraten zum Beispiel die völlig falschen Typen.«
Alle zuckten zusammen. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
»Okay. Wie könnte das Motiv lauten?«, nahm Louise schließlich den Faden wieder auf.
»Extreme Emotionen«, schlug Erika vor.
»Begründung?«, wollte Louise wissen.
»Doris’ Charakter.«
Louise nickte.
»Der Meinung bin ich auch.«
»Ich auch«, schloss sich Peter Berg an. »Das mit ihrem Sohn erscheint mir wirklich suspekt.«
»Ich bin übrigens heute bei Folke Roos gewesen. Ein achtzigjähriger, ziemlich taktvoller Gentleman, der früher einmal eine Glaserei betrieben hat«, berichtete Louise.
»Das muss Roos im Industriegebiet West sein«, bemerkte Lundin. »Beziehungsweise sein Nachfolger oder eines seiner Kinder, das den Betrieb übernommen hat.«
»Ich weiß es, ehrlich gesagt, gar nicht so genau«, gab Louise zu und sah zweifellos aus, als hätte sie etwas vergessen. »Verdammt! Ich hätte ihn danach fragen müssen. Aber das werde ich leicht herausbekommen. In dem Fall müsste es der Schwiegersohn sein. Folke Roos hat nur zwei Töchter.«
»Warum sollte nicht auch eine Frau eine Glaserei betreiben können?«, hakte Lundin nach.
Louise wirkte einen Moment lang verdutzt und blickte stumm an die Wand, während sie gleichzeitig ihren Haaransatz unter dem Pony mit kleinen kreisförmigen Bewegungen massierte.
»Folke hat, kurz nachdem er Witwer geworden war, einige Jahre lang mit Doris zusammengelebt«, berichtete sie und erzählte dann von der Trennung und dass sie wegen der Kinder nötig geworden sei, weil sie sich nicht mit ihrer Stiefmutter, welch schreckliches Wort, verstanden.
Louise berichtete weiter, dass der Kontakt zwischen Folke Roos und Doris nach ihrem Auszug erst einmal abebbte, später aber wieder aufgenommen wurde und dass ihm ihre Gesellschaft gut tat. Dennoch bezeichnete er Doris unter anderem auch als hitzig und launisch, was die Inhaberin der Parfümerie ebenfalls bestätigt hatte.
»Aber das Geld«, beharrte Peter Berg. »Vielleicht hat sie Folke geholfen, einen Teil seiner Steuern dem Finanzamt vorzuenthalten?«
»Nicht ganz unwahrscheinlich.«
Louise notierte es. Im selben Augenblick betrat Jesper Gren den Raum.
»Ich wollte nur mitteilen, dass von den Geschwistern des Opfers keines mehr lebt. Sie sind bereits gestorben. Alle vier«, erklärte Gren.
Gespannte Stille.
»Anzunehmenderweise eines natürlichen Todes. Sie waren alle älter als Doris. Niemand von ihnen starb jünger als mit siebzig Jahren.«
Der Abend verlief ruhig, sogar so bedrohlich still, dass Louise befürchtete zusammenzuklappen. Dabei hatte sie jedoch nicht bedacht, dass in einem Haushalt mit Schulkindern ziemlich oft das Telefon klingelt. Jedes Mal, wenn sie den Hörer abnahm und die Anruferin mit sanfter Stimme darüber aufklärte, dass die Mädchen nicht zu Hause waren, stieg ihre Irritation. Doch gleichzeitig fand sie Trost darin, dass ihre Töchter es gut hatten, dass sie sich nicht ausgestoßen fühlten, nicht gemobbt wurden oder gar einsam waren. Sie entschied sich dagegen, den Stecker herauszuziehen, weil sie erreichbar sein wollte, und sie zog die vielen Anrufe der Unkenntnis darüber, ob den Kindern etwas zugestoßen sein könnte, durchaus vor.
Hauptsächlich jedoch wollte sie dienstlich erreichbar sein, falls nun entgegen ihrer Vermutung etwas Ungewöhnliches eintreten sollte. Ihr Handy hatte sie in der Schreibtischschublade in ihrem Dienstraum im Präsidium vergessen. Sie wurde den
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