Toedliche Blumen
blauen Punkten bedruckten Gardinen, die vor Einsicht schützten.
»Ja, sämtliche Riegel waren eingehakt. Übrigens kein besonders geeigneter Weg, weder um hinein- noch herauszuklettern. Man kommt nämlich direkt auf dem Gehweg heraus.«
Louise und Lundin verließen Benny und die Waschküche.
»Ich habe mich vorhin bereits ein wenig umgesehen«, sagte Lundin. »Bin ja schon eine Weile hier. Sehr gepflegtes Gebäude, um die Jahrhundertwende gebaut, wie gesagt. Des letzten Jahrhunderts natürlich. Also frühes zwanzigstes. Ursprünglich bestand es überwiegend aus Ein- und Zweizimmerwohnungen, die für die so genannte arbeitende Bevölkerung bestimmt waren.«
»Was du nicht alles weißt.«
»Ich kenne Leute, die hier gewohnt haben«, setzte Lundin hinzu. »Das Haus wurde vor einigen Jahren renoviert. Es handelte sich um eine derart pietätsvolle Renovierung, dass sogar die Zeitungen darüber berichteten. Die verschiedenen Arbeitsabschnitte wurden chronologisch dokumentiert. Ein vorbildliches Beispiel für behutsames Vorgehen im Hinblick auf die Anpassung an einen modernen Standard. Erinnerst du dich nicht mehr?«
Sie überlegte, doch in den letzten Jahren hatte sie nicht allzu viel Zeit zum morgendlichen Zeitungslesen übrig gehabt, denn gerade der Morgen verlief immer ziemlich chaotisch bei ihnen. Hektisches Suchen nach Sportklamotten oder verschwundenen Hausaufgaben und andere banale Tätigkeiten, die das Familienleben so mit sich bringt.
»Nein«, antwortete sie und war ziemlich sicher, dass sie, abgesehen von ihren familiären Umständen, einen Artikel über etwas so Trockenes wie eine Hausrenovierung sowieso überblättert hätte.
»Man hat versucht, so viel wie möglich zu erhalten: Türen, Simse, Kachelöfen. Aber man legte die Wohnungen zusammen. Und zusätzlich baute man den alten Trockenboden zu weiteren Wohnungen um. Ziemlich teuer, glaube ich«, sagte Lundin in einem Ton, der unterstrich, dass die Wohnungen mehr als teuer waren. »Ja, und dann gibt es hier nebenan noch einen Aufenthaltsraum mit Sauna und Dusche, den du vielleicht schon gesehen hast. Und eine Art Klubraum. Weiter hinten im Gang befinden sich die Vorratskeller. Ich werde den Vorsitzenden der Eigentümerversammlung bitten, die Baupläne zu besorgen.«
Sie gingen langsam den Kellergang entlang. Louise empfand eine nahezu sensuelle Geborgenheit neben Jannes wiegenden Schritten. Nichtsdestotrotz war ihr bewusst, dass sie und niemand sonst die heutigen Arbeitsaufgaben würde verteilen müssen. Festlegen, was jeder Einzelne zu tun hatte. Mit anderen Worten: Order geben. Und noch dazu vernünftige.
Gleichzeitig fiel ihr ein, dass sie die Mädchen anrufen und hören musste, ob sie inzwischen nach Hause gekommen waren. Sie kamen damit zurecht, am Abend sich selbst überlassen zu sein, aber nachts wollte sie sie auf keinen Fall alleine lassen. Gabriella, die Älteste, war gerade vierzehn geworden. Sie ging in die siebte Klasse und hatte nur noch wenige Monate bis zum Ende des Frühlingshalbjahres vor sich. Sie war ziemlich genervt von der Schule, und Louise hoffte, dass sich das nach den Sommerferien ändern würde. Gabriella hatte ihr versprochen, sich nicht wegzustehlen und ihre jüngere Schwester Sofia allein zu lassen. Im Grunde würde Sofia schon klarkommen, sie war im Moment sowieso die Vernünftigere von beiden. Doch Louise wollte nicht, dass sie sich einsam fühlte. Auch wenn Sofia ihr mit Bestimmtheit mitgeteilt hatte, dass sie manchmal am liebsten ihre Ruhe hatte. Wie man es auch dreht, so macht man es verkehrt, dachte Louise.
Am nächsten Wochenende sollten die Mädchen bei Janos sein. Ein Arrangement, das zwischen den Kindern und beiden Elternteilen getroffen worden war. Die Mädchen hatten sich natürlich gewehrt. An und für sich nicht heftig, vielleicht nur pro forma. Allerdings war es nur allzu verständlich, dass sie nicht bei Pia sitzen und Höflichkeitsfloskeln austauschen wollten. Sie wollten ihren Papa lieber für sich alleine haben. Am liebsten hätten sie jedoch, dass alles wieder so wie früher wäre, und sie zögerten nicht, es kundzutun. Louise hatte keine Ahnung, wie diese Gleichung jemals aufgehen sollte. Dementsprechend wand sie sich wie ein Fisch. Wenn die Kinder bei Pia waren, machte sie die Eifersucht rasend, doch sie litt schweigend. Zu allem Übel hatte sie auch noch feststellen müssen, dass Janos ihren Töchtern leidtat. Sie hatten regelrecht Mitleid mit ihm, was Louise allerdings ziemlich ungerecht fand.
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