Toedliche Blumen
die Matratze gepresst. Sie starrte geradewegs an die Decke und hoffte, dass Mama jeden Moment den Schlüssel ins Schloss stecken würde.
»Und nun wollen wir sehen, wie es mit dem armen Bauch weiter unten ist. Dort müssen wir ihn ja auch untersuchen, wie du sicher verstehst.«
Seine belegte Stimme drang irgendwo aus der Ferne, wo keiner hinkam, zu ihr. Und dann spürte sie, wie er ihr die Hose öffnete und flink wie ein Wiesel seine Hand in ihre Unterhose schob. Herumfingerte und wühlte und sie dabei festhielt.
Als Mama nach Hause kam, saß Gunnar vor dem Fernseher. Mama war unglaublich froh, dass er gewartet hatte, bis sie kam, und so nett war, Viktoria nicht allein zu lassen. Sie wiederholte es mehrmals. Mama träumte nämlich davon, dass Gunnar seine Sachen nehmen und wieder zu ihr zurückziehen würde, auch wenn sie Eva am Telefon davon nichts sagte. Es nicht zugeben wollte und stattdessen das Gegenteil behauptete. Nämlich dass Gunnar ein großer Schweinehund war.
Viktoria dachte darüber nach, während sie immer noch mit dem Comic auf dem Bett in ihrem Zimmer lag.
Jetzt konnte sie es endlich wagen einzuschlafen.
Vielleicht.
Ihr Körper fühlte sich schwer und schlapp an. Sie schaffte es nicht aufzustehen. Hatte keine Kraft, sich auszuziehen und ihre Zähne zu putzen.
Die Nachtluft war frisch und voller Sauerstoff. Louise atmete tief durch und warf einen kurzen Blick gen Himmel. Sterne waren nicht zu sehen. Sie stand mitten auf dem mit Kopfsteinpflaster belegten Hof und ließ den Blick über die kaum erkennbare Hausfassade schweifen. Die Lampen über den beiden Eingängen leuchteten.
Sie fühlte sich überhaupt nicht müde, obgleich es auf zehn Uhr zuging und es an ihr zehrte, so vielen Menschen hintereinander zuzuhören. Sich ihr Gerede über die zunehmende Kriminalität anzuhören, dass die Polizisten von heute nicht das taten, was von ihnen verlangt wurde, dass die Ressourcen zu gering waren, dass sie nur auf ihren breiten Ärschen auf der Wache saßen und dass sie jetzt endlich beweisen sollten, ob sie zu etwas taugten. Vor allem sie. Doch damit war nur eine Person ganz ungeniert herausgerückt, gerade so, als sei sie, Louise, besonders darauf getrimmt, derlei Äußerungen zu ertragen. Vielleicht war sie das auch in gewisser Weise, denn sie hatte schon öfter Ähnliches zu hören bekommen. Doch ebenso hatte sie gelernt, selektiv zuzuhören. Vielmehr störte sie sich an dem aufgeblasenen Typen, der das gesagt hatte. Eine Art Handlanger in irgendeinem Büro mit dem fantasielosen Namen Eilert schien es außerordentlich zu genießen, ihr diese »Wahrheit« über sie selbst zu unterbreiten. Oder, besser gesagt, über ihre Berufsgruppe. Und womit hatte er selbst dienen können?, fragte sie sich. Eigentlich mit gar nichts. Ein klassischer Wichtigtuer, ihrer Meinung nach. Außerdem hatte er definitiv nichts zu den Ermittlungen beizutragen. Sie würde ihn also nicht unbedingt wiedertreffen.
Und dann der ganze Tratsch und Klatsch, den die Nachbarn mit dem größten Entzücken verbreiteten. Grob gesehen, konnte man sie in zwei Gruppen einteilen: die Gruppe derjenigen, die Britta Hammar, die Mieterin oberhalb der Waschküche, verdächtigten, und die andere, die zu ihr hielt. Die Verteilung nahm sich jedoch recht ungleich aus. Die Mehrheit war dem Gruppenzwang verfallen und mied mehr oder weniger die Frau, die noch nicht angehört worden war.
Sie war den ganzen Abend lang nicht zu Hause gewesen, doch jetzt konnte Louise Licht in ihrem Küchenfenster brennen sehen.
Der Waschküchendrachen.
Louise musste über ihren völlig befangenen Gefühlsausbruch lächeln. Wenn man keinen Ärger hatte, so musste man sich eben welchen schaffen.
In den Fenstern der Möbelwerkstatt war es ebenfalls dunkel gewesen. Freitags war, dem Schild an der Tür nach zu urteilen, die Öffnungszeit etwas kürzer. Allerdings hatte ein Nachbar bemerkt, dass am Nachmittag jemand dort gewesen war. Nach Aussage des Mannes, der im Übrigen einen vernünftigen Eindruck machte, brannte Licht, als er zufällig aus dem Fenster geschaut hatte. Er konnte es natürlich nicht mit Sicherheit bezeugen, und das konnte auch keiner der anderen Hausbewohner, wie es schien.
Und dann war ein Mädchen aus der Werkstatt gekommen, erzählte derselbe Mann. Kurz danach war es dunkel in den Räumen geworden.
Ein Mädchen.
Wer sie nur sein mochte? Handelte es sich vielleicht um dasselbe Mädchen, das dem netten älteren Ehepaar Maiblumen verkauft
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