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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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hinterher wieder zurechtsetzen. Und das würde ewig dauern. Wenn sie Hausaufgaben machte, legte sie sich angezogen der Länge nach auf das regenbogenfarbene Bettzeug, das sie selbst im Katalog hatte aussuchen dürfen, und hatte somit alle ihre Kuscheltiere um sich versammelt.
    Jetzt, wo sie ebenfalls angezogen dort lag, versuchte sie nachzuspüren, was ihr eigentlich fehlte. Vor allem ihrem Bauch. Und ein bisschen auch dem Knie.
    Die Tür war angelehnt, sodass das Licht der Flurlampe wie ein blaues Dreieck auf ihren flauschigen Teppich fiel. Er war weiß. Oder, besser gesagt, er war weiß gewesen. Aber Lina hatte eine Dose Coca-Cola über ihm ausgeschüttet, worauf sich die dunkelbraune, klebrige Flüssigkeit über die Fransen ergossen und darin festgeätzt hatte. Ekelhaft. Als es passiert war, war sie ziemlich traurig, denn der Teppich war richtig schön und außerdem fast neu gewesen. Mama hatte sie getröstet und gemeint, er würde schon wieder sauber werden. Hoffentlich, denn Coca-Cola war das reinste Gift. Doch Viktoria musste sich selbst darum kümmern, den Teppich auszuschütteln und ihn in die Waschküche hinunterzubringen, was sie allerdings noch nicht getan hatte. Mama hatte ebenfalls noch nicht die Initiative ergriffen, obwohl sie es versprochen hatte. Im Augenblick war sie mit so vielen trivialen Dingen überfordert, wie sie sagte. Jedenfalls zu dem Zeitpunkt, als Gunnar sie verlassen hatte. Und jetzt, einige Monate nachdem die ungeschickte Lina den Teppich bekleckert hatte, hatte Viktoria sich fast an die Flecken gewöhnt. Es kümmerte sie jedenfalls nicht mehr besonders. Der Teppich sah nun eher wie ein Kuhfell aus, fand Lina. Natürlich nicht genau so, das war Viktoria klar. Aber sie konnte jederzeit so tun als ob, denn schwarzweiß gefleckte Kuhfelle waren gerade besonders in Mode, hatte Lina mit flackerndem Blick erklärt, weil ihr wahrscheinlich unheimlich peinlich war, was sie angerichtet hatte. Lina war nämlich höflich.
    Der Teppich liegt schief, dachte Viktoria und überlegte, ob sie es schaffen würde, aufzustehen und ihn zurechtzulegen, doch sie blieb liegen. Es war, als hätte alle Kraft sie verlassen.
    Sofort nachdem Gunnar sie nach Hause gefahren hatte, hatte sie eine Weile geschlafen. Schon als sie im Flur stand und alles vorbei war, hatte sie gemerkt, wie schwindelig ihr war. Sie schaffte es kaum, die wenigen Schritte zu ihrem Bett zurückzulegen, da fiel sie schon in tiefen Schlaf. Gunnar hatte keinen Mucks von sich gegeben. Er hatte Mama versprochen zu bleiben, dummerweise. Jedenfalls behauptete er das.
    Doch jetzt fühlte Viktoria sich besser. Ein wenig zumindest. Obgleich ihr Bauch noch wehtat und druckempfindlich war. Zum Glück war ihr nicht übel, so musste sie sich wenigstens nicht übergeben. Darüber war sie ziemlich froh. Und dennoch war ihr der Hunger vergangen, obwohl sie nicht mehr gegessen hatte als die Zwiebäcke, die Rita ihr angeboten hatte, und die Kekse von der netten älteren Dame, die den Kranz und die Autoblume gekauft hatte.
    Es war noch nicht ganz dunkel draußen, aber es dämmerte bereits. Ihre Augen wanderten im Zimmer umher. Sie konnte sich nicht auf ihr Heft konzentrieren, aber das war nicht so schlimm. Sie hatte es schon so oft gelesen, dass sie die Dialoge zwischen dem Bären und der Schildkröte längst auswendig konnte. Also schaute sie sich nur die Bilder an. Die waren in diesem Heft nämlich besonders schön. Bamse und das große Abenteuer. Vor allem, weil es gut ausging.
    Um die Laterne vor dem Fenster bildete sich ein Lichtkegel wie ein Heiligenschein. Auf dem Fensterbrett standen immer noch die beiden Dosen mit Bonbons, die sie von Oma geschenkt bekommen hatte und die ihr nicht schmeckten. Sie hatte die Dosen nicht weggeworfen, weil sie noch nicht leer waren, und dass sie nicht leer waren, lag daran, dass nicht einmal Lina die runden, harten, ekligen Bonbons hinunterbrachte. Mama fand, dass sie angenehm nach Ingwer und Veilchen rochen, doch Viktoria und Lina fühlten sich beim Probieren eher an süß riechendes Parfüm und abgestandenen Muff erinnert.
    Sie konnte hören, dass es Sport im Fernsehen gab. Gunnar mochte am liebsten Sportprogramme. Autorennen und Fußball. Gerade hatte er eine Bierdose geöffnet. Jedenfalls hörte es sich so an. Jetzt war er im Begriff, das Sofa zu verlassen, und ging auf Strümpfen über den Flur auf die Toilette. Sie spitzte die Ohren. Er spülte, drehte den Wasserhahn kurz auf und zügig wieder zu, öffnete dann die

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