Toedliche Blumen
regelrecht über den roten Ziegelwänden. Unbehandeltes Blech, das noch nicht von Luftverunreinigungen angegriffen war. Auf beiden Seiten der grün gestrichenen, einflügeligen Tür, die in den Hof führte, befanden sich niedrige Sprossenfenster ohne Vorhänge. Größere Möbelstücke wurden vermutlich durch die breite Tür zur Rådmansgatan transportiert.
»Ich kann mir einen Blick nach drinnen einfach nicht verkneifen«, gestand Louise und drückte ihre Nase gegen das Glas.
Sie hörte, wie Lundin sich hinter ihr räusperte. Die junge Mutter mit den beiden Kindern, deren Name Louise gerade nicht einfiel, schob einen Kinderwagen über den Hof. Sie starrte Louise an.
Veronika Lundborg und Daniel Skotte setzten sich auf die Stühle im Schwesternzimmer, das ungefähr in der Mitte der chirurgischen Abteilung lag, einer so genannten Großabteilung, die sich von einem Ende des Gebäudes zum anderen erstreckte. Messungen zufolge betrug die Länge des Korridors hundert Meter. Da kamen für die Krankenschwestern schon einige hundert Meter Beinarbeit an einem Arbeitstag zusammen. Wenn nicht sogar Kilometer.
Während sie auf die Dienst habende Schwester warteten, plauderten sie ein wenig. Kurze, zufällig entstehende Pausen wie diese waren wertvoll. Denn meistens sahen sich die Kollegen im Laufe eines Arbeitstages überhaupt nicht. Eigentlich trafen sie sich nur bei den morgendlichen Zusammenkünften oder während der Operationen.
Veronika war Daniels Mentorin. Ihr Verhältnis zueinander war von Übereinstimmung geprägt. Sie mochte ihn, er war hilfsbereit und zuverlässig, kein Typ, der sich nur die Rosinen aus dem Kuchen pickte, keiner, der nur die Operationen an sich riss und die Verantwortung für die Abteilung auf andere abwälzte.
Der Raum, in dem sie saßen, war hell, obgleich er nach Norden wies. Die Abteilung lag relativ weit oben, im sechsten Stock des Hauptgebäudes. Man blickte überwiegend auf einen Himmel, der am heutigen Tag hell, aber nicht richtig klar war.
»Hoffentlich gestaltet sich heute alles etwas ruhiger«, äußerte Veronika genau in dem Moment, als Schwester Lisbeth kam.
Bingo!, dachte Veronika. Lisbeth gehörte zu den so genannten Veteranen der Klinik und hatte es offensichtlich immer noch nicht übers Herz gebracht aufzuhören, obwohl die neue Stationsschwester tat, was sie konnte, um so viele Kollegen wie möglich zu verscheuchen. Jedenfalls die älteren und routinierteren. Warum noch keiner diese Schreckschraube auf den Pott gesetzt hatte, überstieg Veronikas Verstand. Nelly hieß sie. Ihr Name klang weich und sympathisch, was jedoch keineswegs auf ihren Charakter zutraf. Veronika vermutete, dass die Stationsschwester das Vertrauen einer Person irgendwo weiter oben in der Hierarchie genoss oder dass diverse Paragrafen des Arbeitsrechts, die Veronika nicht kannte, die Verantwortlichen daran hinderten, zu Werke zu schreiten und ihren Posten im Personalbereich gegen einen in der Verwaltung auszutauschen. Sie eignete sich nicht dafür, mit Menschen zu arbeiten, wie viele fantastische so genannte Visionen auch immer sie im Hinblick auf die Stationsarbeit haben mochte.
»Setzen wir uns doch erst einmal«, schlug Veronika vor, woraufhin Lisbeth den Wagen zu sich heranzog und begann, die Krankenakten herauszusuchen.
Zwei Patienten sollten entlassen werden, ansonsten gab es im Vergleich zum Vortag weder Veränderungen bezüglich der Medikation noch der Behandlungsweisen.
Danach befassten sie sich mit der Akte des in der vorangegangenen Nacht eingelieferten Zechbruders, den Rheza kreuz und quer im Gesicht genäht hatte.
»Wie geht es ihm?«, wollte Veronika wissen, während sie mit einem Auge seine Laborwerte studierte, die sich im Großen und Ganzen innerhalb des Referenzbereichs um den Normwert herum einpendelten, abgesehen von den Leberwerten, die mäßig erhöht waren, vermutlich aufgrund von ausdauernder Selbstmedikation mit Alkohol.
»Kopfschmerzen«, sagte Lisbeth und lächelte spöttisch.
»Handelt es sich in diesem Fall um die Sünde, die sich selber straft, oder glaubst du, dass er eher eine Gehirnerschütterung davongetragen hat?«
»Schwer zu sagen.«
»Wir werden persönlich mit ihm sprechen. Vielleicht machen wir sicherheitshalber noch eine CT, jedenfalls, wenn er nach Hause will«, sagte Veronika zu Daniel Skotte, der nickte.
Schließlich standen sie alle drei, Schwester Lisbeth, Daniel Skotte und Veronika, an Johanssons Krankenbett. Er lag in einem Dreibettzimmer, doch
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