Toedliche Blumen
Hause. Mit Haushaltshilfe oder diversen erkauften Dienstleistungen. Dieser Dünkel war ihr eher peinlich. Auch ihre soziale Herkunft half ihr da nicht weiter. Die ungezwungene Selbstverständlichkeit, die ihre aus Arztfamilien und anderen wohl situierten Verhältnissen stammenden Studienkollegen seit ihrer Kindheit besaßen, hatte sie sowohl ängstlich als auch neidisch gestimmt. Und vielleicht auch ein kleines bisschen verächtlich. Mit der Zeit hatte sie sich natürlich in gewisser Weise angepasst. Aber nie ganz. Ihre Wurzeln hatte sie niemals aufgegeben, im Guten wie im Schlechten.
»Mein Gott, dafür brauchst du dich doch nicht zu schämen!«, sagte Lisbeth. »Stell dich nicht so an! Daran ist doch nichts. Glaub ja nicht, dass ich es schaffe, unsere Fenster selber zu putzen, auch wenn wir nicht annähernd so viele haben.«
Veronika war so bedacht darauf, nicht als Snob angesehen zu werden, dass sie manchmal geradezu mit ihrer Bodenständigkeit zu kokettieren schien. Sie war in dem Sinne erzogen, ihren eigenen Dreck wegzumachen, und so hatte sie es bisher auch gehandhabt oder, besser gesagt, eine Art ungeordnetes Bohèmeleben geführt, weil das die einzige Lebensform war, die sie verwirklichen konnte. Denn sie hatte mit ihrer jetzt erwachsenen Tochter Cecilia, deren Belange natürlich vorrangig waren, allein gelebt. Vielleicht waren sie es nicht immer, denn manchmal ging zwangsläufig ihre Arbeit vor, wenn sie ehrlich war, aber sie musste sich und das Mädchen versorgen und gehörte dabei zu den Glücklichen, die ihre Arbeit auch noch liebten. Selbst wenn sie sich oft mühevoll gestaltete. Doch sie hatte sich nie selbst leidgetan. Jedenfalls nicht übermäßig oft. Im Gegenteil, sie genoss ihre Situation. Für sie lag ein gewisser Reiz darin, immer etwas zu tun zu haben.
»Das gehört ins Konzept«, witzelte Skotte und knuffte sie scherzhaft in die Seite.
»Welches Konzept?«
»Ins System. Alle, die ein wenig Grips im Kopf haben, lassen schwarzarbeiten.«
»Außerdem kann man nicht alles schaffen«, argumentierte Lisbeth. »Das ist unmöglich. Aber natürlich ist es nicht gerade witzig, damit in die Schlagzeilen zu kommen«, fügte sie hinzu.
Veronika starrte sie an.
»Na, wie die Leute mit dem schwarzen Putzjob in Göteborg. Wenn man höher gestellt ist, muss man eben aufpassen.«
Veronika sagte nichts mehr. Sie konnte nicht einschätzen, ob Lisbeth meinte, dass Claes und sie zu dem Personenkreis der Höhergestellten zählten. Aber als Kommissar und Ärztin aufgrund der illegalen Beschäftigung eines Fensterputzers vor Gericht gezerrt zu werden, zählte mit Sicherheit zu den Dingen, auf die sie definitiv verzichten konnte.
Louise saß am Schreibtisch in Doris Västlunds Schlafzimmer mit dem großblumigen Bettüberwurf und entdeckte so ungefähr das, was man in Schreibtischschubladen erwarten konnte zu finden. Außer Stiften, Radiergummis, Büroklammern und Papier lagen dort alte Hefte mit Kontoauszügen, Pässe, Briefpapier, Postkarten und einige lose Fotos, unter anderem ein altes Schwarzweißbild von Doris Västlund, das sie als junge Frau darstellte. Es war ein Porträt von einem Fotografen namens Olsson, wie man an der Signatur am Bildrand erkennen konnte. Das Fotoatelier existierte noch immer, doch die Besitzer hatten inzwischen gewechselt und den Namen des Ateliers übernommen.
Das Bild verkörperte den Charme der Vierzigerjahre: kerzengerader Mittelscheitel, das Haar aus der leicht gewölbten, glatten Stirn gestrichen, die krausen Locken hinter die Ohren geklemmt und ein leicht verschleierter Blick durch dichte Augenwimpern. Ein wenig wie Greta Garbo. Doris Västlund war offensichtlich einmal sehr hübsch gewesen.
Louise legte das Foto zur Seite. Sie richtete einen anderen Stapel mit Kontoauszügen und Rechnungen ein, die sich in einer dünnen Plastikmappe befanden. Wahrscheinlich waren die Unterlagen jeden Monat in verschiedene Ordner sortiert worden, da sie nur Auszüge und Belege des letzten Monats finden konnte. Die Miete wurde jeweils um den Fünfundzwanzigsten eingezogen, wie sie sehen konnte. Es befanden sich keine größeren Summen im Umlauf. Vermutlich gab es keinen Grund, Doris Västlund aus finanziellen Gründen zu töten.
Louise fand auch Familienbilder. Die Alben wurden im größeren Raum ganz unten in einem schmalen Bücherregal verwahrt. Eigentlich hatte sie das Schlafzimmer durchsuchen wollen, doch sie konnte sich nicht von diesen alten Fotografien lösen. Zeitdokumente
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