Toedliche Blumen
waren blau gestrichen. Mittelblau.
Ein rechteckiges Fenster wies in einen dunklen Innenhof, und eine Tür führte zur Toilette. An der Wand neben der Tür befand sich eine Garderobe, und ansonsten reichten die mit Kartons gefüllten Regale an den Wänden bis zur Decke hinauf. Die Becher für den Vormittagskaffee standen bereits auf der einen Seite des mit einem ebenfalls blauen Wachstuch bedeckten Tisches, auf dessen anderer Hälfte sich Pröbchen und Werbematerial stapelten. Eine Papiertüte von der angesehensten und konkurrenzlos besten Konditorei der Stadt, Nilssons, lag neben dem Kaffeeautomaten, der dicht an die Wand geschoben war. Der Größe der Papiertüte nach zu urteilen, enthielt sie höchstens zwei Gebäckstückchen.
Louise störte also die Zweisamkeit. Wie immer, wenn sie Dienstbesuche machte.
»Wir sollten darauf achten, möglichst leise zu sprechen«, hob die Inhaberin der Boutique hervor, während sie den Vorhang hinter ihnen zuzog, der im Prinzip nur vor Einsicht schützte. »Setzen Sie sich doch bitte! Sie kommen also wegen Doris Västlund?«
»Ja, genau«, antwortete Louise und nahm direkt gegenüber dem schmalen Fenster Platz.
»Sie verstehen vielleicht, meine Mitarbeiterin kannte Doris nicht, deshalb wäre es vielleicht besser, wenn wir das Ganze nicht so aufbauschen würden.«
Louise war dankbar dafür, dass Marianne Bengtsson die kleine weiße Porzellanlampe über dem Tisch anknipste. Sie bevorzugte es, ihren Gesprächspartnern in die Augen schauen zu können.
»Ich vermute, Sie haben es aus der Zeitung erfahren, dass Doris Västlund tot ist«, begann Louise ohne Umschweife, kam sich dabei jedoch vor wie eine Schallplatte.
»Wie furchtbar!«, rief die Frau aus und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Dass die Leute so rücksichtslos mit ihren Nachbarn umgehen. Da fragt man sich doch wirklich, wohin das noch führen soll. So etwas müsste, es müsste …«
Sie schaute Louise Hilfe suchend ins Gesicht, als könnte sie ihr mit den richtigen Worten auf die Sprünge helfen, doch Louise schwieg.
»So etwas müsste … verboten werden«, brachte sie schließlich mit Nachdruck hervor.
Doch vieles verschwindet nicht einfach, nur weil es verboten ist, dachte Louise matt.
»So etwas ist verboten«, entgegnete sie sicherheitshalber.
»Wie bitte?«
»Zu misshandeln und zu töten.«
»Ja, natürlich. Ich habe mich falsch ausgedrückt, aber man ist einfach so geschockt. Man muss sich wirklich wundern, was tatsächlich alles passieren kann! Man hätte doch im Leben nicht erwartet, dass gerade Doris so etwas zustoßen würde. Ja, man muss sich wirklich wundern … Auf jeden Fall ist es entsetzlich tragisch, was da geschehen ist. Und dann natürlich die Art und Weise! Es scheint so, als müsste man heutzutage Wachpersonal in den Waschküchen aufstellen. Damit die Leute einander nicht die Wäsche stehlen und sich gegenseitig Schaden zufügen.«
Die Frau, die Louise gegenübersaß, seufzte hörbar und holte dann Luft, um weiterzusprechen. Louise ließ sie gewähren.
»Früher gab es so etwas nicht«, bemerkte sie daraufhin etwas gefasster. »Die Gesellschaft ist gefährlicher geworden. Komplizierter, wie ich finde. Selbst hier in der Boutique bekommen wir zu spüren, dass die Kriminalität zugenommen hat. Die Verbrecher strömen nur so über die Landesgrenzen. Man könnte vielleicht meinen, dass es hier nicht viel zu holen gibt, keine Computer, keine aufwändige Technik, weder Wertgegenstände wie Schmuck oder Uhren noch andere Dinge, die man weiterverkaufen könnte, und dennoch sind wir in der letzten Zeit mehrfach bestohlen worden. Keine Einbrüche, aber die Kunden lassen so einiges mitgehen. Unverschämte Typen. Neulich waren mehrere Männer aus den Ländern jenseits der Ostsee hier. Esten, Letten, Litauer – oder wie sie alle heißen. Auf jeden Fall Balten. Oder vielleicht waren es auch Russen. Ordentlich gekleidet. Sie gingen vorbei und guckten sich die Auslagen im Schaufenster an. Und als der Laden gerade voll mit Kunden war und wir alle Hände voll zu tun hatten, nutzten sie den Moment, um Wimperntusche, Lippenstifte und teure Parfüms an sich zu reißen. Alles hochwertige Produkte«, erklärte sie Louise. »Dior, Lancôme, Chanel. Französische Marken, die sie da drüben schick finden.«
Ihre Wangen zitterten leicht. Louise nickte, ging jedoch nicht auf das Thema ein.
»Doris Västlund hat also, wie ich unserem Telefonat entnehmen konnte, hier gearbeitet«, leitete sie zu ihrem
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