Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
könnten uns drüben erst einmal vor dem Schlimmsten bewahren. Gelingt dies, und die Filzhüte rösten uns nicht auf dem Opferstein, wird uns Waratto erst nach unserer Rückkehr auf Germanisch bestatten. Und das tut er – oder ich kenne ihn schlecht.“
„Gott im Himmel, gibt es denn gar keine Rettung?“, stöhnte ich.
„Wir könnten uns ja mit dem Floß die Elbe hinuntertreiben lassen, ins Nordmeer. Dort soll es eine Insel geben, Skandinavia, wo immer noch Wodan mit seiner Gefolgschaft haust. Wir könnten ihn um Asyl bitten.“
„Unsinn! Es gibt keinen Wodan!“
„Ja, dann werden uns wohl die Fische fressen“, schloss Odo, der keine Lust mehr hatte weiterzureden, und warf sich herum.
„Au! Schon wieder dein Ellbogen! Willst du mir etwa die Nase brechen?“
„Was macht das? Du brauchst sie ja nicht mehr lange.“
Im nächsten Augenblick schnarchte er.
5. Kapitel
Mit seiner Vermutung, Waratto werde uns in der Hoffnung ziehen lassen, durch unsere Vermittlung seine Tochter zurückzubekommen, behielt Odo recht. Vielleicht war es aber auch ein anderer Grund, weshalb er uns gleich in der Frühe zum Aufbruch drängte. Kaum hatten die Hähne gekräht, kaum zeigte sich im Osten der erste rosige Schimmer, als wir ihn schon geschäftig sahen. Und während Odo und ich uns am Brunnen wuschen, kam er heran und verkündete, es sei alles bereit. Ein Floß für den Wagen und die Tiere und sein eigenes geräumiges Boot für uns und unsere Gefolgschaft warteten bereits am Elbufer, nur eine halbe Meile entfernt. Er rate zur Eile, fügte er hinzu, denn sein Vaterherz sage ihm, dass seine Tochter in höchster Gefahr sei und nur wir sie noch retten könnten.
„Seid nicht zaghaft“, empfahl er, „und lasst Euch von Ratibor nicht hereinlegen. Dieser Kerl kennt nur Lug und Trug! Er wird Euch, um sein Verbrechen zu rechtfertigen, Schauergeschichten erzählen. Er wird mich und meine Leute der schlimmsten Übergriffe bezichtigen. Vorsicht also! Glaubt ihm kein Wort! Zögert auch nicht, ihm Vergeltung anzudrohen – für den Fall, dass er Swinde und die anderen nicht freilässt. Sagt ihm, dass Ihr fünf Hundertschaften heranführt, die unverzüglich über den Fluss gehen und seine Burg dem Erdboden gleichmachen werden!“
„Wir werden ihm sagen, was der Herr Karl, unser Kaiser, uns auftrug“, erwiderte Odo, während er sich, auf einem Bein hüpfend, das Wasser aus den Ohren schüttelte. „Kein Wort mehr und keines weniger, das wird genügen. Macht Euch um Eure Tochter keine Sorgen, wir bringen sie Euch zurück. Was die fünf Hundertschaften betrifft …“
„Oh, da seid Eurerseits unbesorgt!“, beeilte sich Waratto zu versichern. „Ich werde sie empfangen und als Ranghöchster an diesem Platz die Befehlsgewalt übernehmen. Solange Ihr abwesend seid, versteht sich“, fügte er rasch hinzu, als er Odo die Brauen runzeln sah.
„Nun, meinetwegen.“ Odo warf seinen Kittel über und zog die Gürtelschnalle fest. „Doch geduldet Euch, sie könnten noch ein paar Tage zurück sein. Und wenn sie dann hier sind … keine Unbesonnenheit!“
„Darauf verlasst Euch!“
Die beiden maßen sich mit einem langen ernsten Blick, der jedoch dem aufmerksamen Beobachter Odos Spott und Warattos Tücke nicht verbergen konnte.
„Verliert aber nun keine Zeit“, mahnte der Graf.
„Die Zeit für eine Frühmesse werden wir noch ‚verlieren‘“, sagte ich anzüglich, „um uns für die Begegnung mit den Heiden zu stärken.“
Es waren allerdings nur Rouhfaz und einer unserer Männer, die ich zur Andacht in dem kleinen, windschiefen hölzernen Gotteshaus überreden konnte. Der Bischof Chrok war mir von früheren Begegnungen her gut bekannt. Wir hatten auch am Abend zuvor ein paar Worte gewechselt und dabei der Märtyrer gedacht, die für die frohe Botschaft, die sie in diese freudlose Gegend getragen hatten, so teuer bezahlen mussten. Auch er war emsig in der Sachsenmission unterwegs, und man rühmte seine Erfolge. Das Kirchlein fasste die Gläubigen kaum, die gekommen waren, darunter die edle Frau Gerberga, Warattos Gemahlin, die lange weinend vor dem Altar kniete und für das Leben ihrer Tochter betete. Am Ablauf der Messe war nichts auszusetzen, und ich werde davon dem Herrn Erzkaplan in Aachen zu rühmen wissen. Es gehört ja zu meinen Pflichten als geistlicher missus, darauf zu achten, dass die Diener Gottes beim Messopfer nicht betrunken oder unanständig gewandet sind, dass sie nicht unverständlich murmeln und brabbeln,
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