Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
sicher feindlich gesinnten Knes Ratibor als friedfertige Gesandte einführen?
Inzwischen waren auch Waratto, Remmert, Wido und mit ihnen an die 100 Männer ans Ufer der Elbe gekommen, Franken und Sachsen, die uns mit sichtlich zufriedenen Mienen verabschieden wollten. In einigen bärtigen Gaunergesichtern las ich höhnische Vorfreude auf den blutigen Empfang, den man uns vielleicht noch am selben Tag, gleich nach unserer Ankunft, am anderen Ufer bereiten würde. In diesem Augenblick fiel mir ein, dass wir ja etwas Hochwichtiges vergessen hatten. Wenn sich die edlen Herren hier auch ganz ungeniert und selbstherrlich aufführten, so sollten sie doch wissen, dass in der Ferne die Riesenfaust des Kaisers das Schwert in der Hand hielt, das sie vernichten konnte, wenn sie es zu bunt trieben.
Ich schickte Rouhfaz auf das Floß zu unserem Wagen, um den Dokumentenkasten zu holen. Diesem entnahm ich drei Pergamentrollen: das neue „Capitulare missorum generale“, das ältere „Capitulare Saxonicum“ sowie die kürzlich beschlossene „Lex Saxonum“. Ich trat zu Waratto und überreichte sie ihm.
„Herr Graf“, sagte ich, „diese Schriften enthalten den Willen unseres Herrn Kaisers und die Gesetze der Sachsen. Bevor wir weiterreisen, wollen wir tun, was unseres Amtes ist: Euch das neue Kapitular zur Kenntnis geben und Euch an das alte erinnern. Ich bin bereit, Euch alle Artikel vorzutragen und auf Wunsch zu erläutern.“
„Nicht nötig“, erwiderte Waratto mit einem breiten Lächeln, wobei er die Rollen nahm und nachlässig an einen seiner Gefolgsleute weiterreichte. „Wir sind nicht hierhergekommen, Diakon Lupus, um von Euch einen Vortrag zu hören. Die alten Kapitularien sind uns bekannt und werden befolgt. Mit dem neuen werden wir uns vertraut machen. Auch die Sachsengesetze kenne ich schon. Wer einen Edeling schlägt, zahlt ein Wergeld von 30 Solidi, wer ihm einen Knochen bricht, 240, wer ihm ein Auge ausschlägt oder die Nase abschneidet, 720. Richtig?“
„Aber zwei Augen, zwei Ohren und zwei Eier kosten das Doppelte!“, fügte Remmert mit einem glucksenden Lachen hinzu. Auch die Umstehenden fanden das komisch und wieherten los.
„Ja“, sagte Waratto, ebenfalls lachend, „hier geht es streng nach dem Gesetz. Wer einen Unschuldigen kastriert, den er mit seiner Frau verdächtigt, dem ergeht es übel. Nein, dies ist kein Ort für Verbrecher! Deshalb gibt es bei uns auch kaum Mörder, Brandstifter, Räuber und Diebe.“
„Nicht einmal Diebe?“, fragte Odo, der im Vorbeigehen die letzten Worte des Grafen gehört hatte.
„Mir ist im Augenblick keiner bekannt“, entgegnete Waratto, noch immer heiter. „Wenn aber einer gefasst wird, kommt er vor meinen Richterstuhl, gibt alles zurück und zahlt dazu eine gehörige Buße. Das versichere ich Euch!“
„Ah, da fällt mir noch etwas ein!“, rief Odo, wobei er sich an die Stirn schlug. „Die Sammlung Eurer ungewöhnlichen Taten! Ich hatte doch versprochen, Eurem Schreiber das Kriegserlebnis mit Euch zu berichten. Wer weiß, wie es uns da drüben ergeht und ob ich noch jemals dazu komme. Es wäre jammerschade, wenn die Nachwelt von Eurer Ruhmestat nichts erführe.“
„Wie wahr!“, erwiderte Waratto selbstgefällig. „Das wäre wirklich sehr schade. Zufällig ist mein Kanzlist zur Stelle. Wiprecht!“, rief er.
Ein blasses Männlein, dem eine Wachstafel am Gürtel hing, drängte zu ihm.
„Herr Odo wird dir jetzt ein Erlebnis berichten. Schreib alles auf und füge es deinem Buch über meine Heldentaten hinzu. Es ist ja fast fertig, wir schicken es dann gleich an den Hof, damit man es dort zur Kenntnis nimmt. Ja, es wird Zeit für mich, an die Zukunft zu denken und mich dort in Erinnerung zu bringen“, wandte er sich an sein Gefolge. „Der Posten des Kämmerers, der die kaiserlichen Finanzen verwaltet, soll demnächst frei werden.“
Ich ahnte, was Odo vorhatte, und beeilte mich deshalb, das ebenfalls schon zu Wasser gelassene Boot zu besteigen. Rouhfaz nahm neben mir am Bug Platz, unsere Männer hatten bereits die Ruderbänke besetzt. Helko und Fulk blieben auf dem Floß bei den Tieren, die auch schon auf dem leicht schwankenden Boden zur Überfahrt bereitstanden. Da sie solche Unternehmungen kannten, verhielten sie sich ganz ruhig. Die Strömung des mächtigen breiten Flusses war zum Glück nicht sehr stark, es herrschte fast Windstille, und kein Wölkchen verdeckte die aufsteigende und schon angenehm wärmende Sonne.
Odo war mit dem
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