Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
bekommt er sie wieder … aber beschädigt!“
Waratto brachte die Lacher mit einem zornigen Blick zum Schweigen.
„Darüber wage niemand zu spotten! Wir sind in ernster Gefahr. Die Angriffe werden immer frecher und blutrünstiger. Wir müssen das Schlimmste befürchten, wenn der Kaiser uns nicht Verstärkung gewährt. Ich bin es leid, dass meine Familie ein Opfer nach dem anderen bringt!“
„Beruhigt Euch, Graf“, ließ sich der fette Remmert vernehmen, „mein Sohn meint es ernst, wenn er verspricht, Eure Tochter zurückzuholen. Man muss es ja nicht gleich mit dem Schwert versuchen. Es gibt andere Möglichkeiten. Man könnte verhandeln, ihre Habgier nutzen …“
Er schielte beifallheischend zu uns herüber.
„Was würdet Ihr denn für sie bieten?“, fragte ich ihn. „Eine Bootsladung Waffen?“
„Wo denkt Ihr hin! Wir wissen, dass das der Kaiser nicht wünscht.“
„Was dann? Vielleicht Schafe?“
„Wie?“
„Nun, Schafe … Ihr seid doch Schafzüchter.“
„Gewiss … Aber …“
„Ich meine die Schafe, die Zelibor hütet.“
Er blinzelte mich an und schien um die Antwort verlegen zu sein.
„Wie kommt Ihr darauf?“, fragte er dann misstrauisch, wobei er kurz zu Waratto hinübersah.
„Brachtet Ihr vorhin nicht die Nachricht, dass der Schafstall des Zelibor voll sei?“
„Ah, Ihr meint … Oh, ja, natürlich! Zelibor handelt mit Viehzeug aller Art und … Ihr habt recht, man könnte es damit versuchen … unsere Rasse ist besser als die ihrige … viel besser …“
„Und wer soll den Handel abwickeln? Der Schäfer?“
„Wie?“
„Der Schäfer!“
„Der Schäfer?“
„Er ist aber noch nicht eingetroffen. War das nicht Eure Botschaft?“
„Ah … ja, ja, ja, so ist es! Der Schäfer … er kennt gute Weideplätze mit fettem Gras. Er führt die Schafe dorthin.“
„Heißt er zufällig Bromios?“
„Bromios? N…Nein, das ist … das ist ein anderer … ein Händler. Der Schäfer heißt Brun. Ja, Brun … so heißt er! Er holt die Schafe und führt sie hinaus. Ist ein sehr guter Schäfer, hat kaum Verluste, vertreibt die Wölfe … Ihr habt recht … jaja … man könnte ein Tauschgeschäft machen …“
Remmert schnaufte und schwitzte, er fühlte sich offenbar unbehaglich. Seine flinken Äuglein, die aus dem Urwald seines Bartes hervorblitzten, suchten immer wieder den Blick des Grafen. Der gab sich nach wie vor niedergedrückt, und unser Wortwechsel schien ihn zu quälen.
„Ja, wenn das alles so einfach wäre, mein lieber Lupus“, sagte er. „100 Schafe des Zelibor für meine Tochter … Ich würde 300, 500, 1000 geben … aber werden sie damit zufrieden sein? So kostbare Beute hatten sie nie! Wer kann wissen, wohin sie sie verschleppt haben! Vielleicht weit fort, in ihre verfluchte Mecklenburg, zu ihrem Oberhäuptling Drazko. Vielleicht opfern sie sie ihren grausamen Göttern, dem Siwa oder dem Radigost. Ich werde wohl meine Tochter, meine Swinde, mein teures Kleinod, mein Augenlicht niemals wiedersehen!“
Der Graf seufzte schwer, und – wahrhaftig – eine Träne floss ihm über die Wange.
Jetzt tat er uns aufrichtig leid, und Odo sprach mit fester Stimme: „Davon kann nicht die Rede sein. Wenn sie Eure Tochter geraubt haben, werden sie sie wieder freigeben müssen. Das erkläre ich im Namen des Kaisers!“
„Ich danke Euch“, sagte Waratto. „Aber was wird das nützen? Der Schurke Ratibor und Slawomir, sein noch schlimmerer Sohn … sie hören Euch nicht.“
„Heute nicht.“ Odo trank einen Schluck Bier und strich mit einer schwungvollen Geste den Schaum vom Schnurrbart. „Aber morgen. Morgen hören sie mich!“
„Wie das?“
„Wir werden ihnen unsere Aufwartung machen.“
„Ihr wollt zu ihnen gehen? Über die Elbe?“
„Gleich morgen früh!“
Jetzt war es Waratto, der einen kurzen Augenblick lang seine Betroffenheit nicht verbergen konnte.
„Das wollt Ihr wagen? Etwa allein? Mit den wenigen Leuten? Oder rechnet Ihr damit, dass die fünf Hundertschaften …“
„Das nicht. Ich glaube nicht, dass sie morgen schon hier sein werden. Was haben wir zu befürchten? Die Wenden da drüben sind noch immer Verbündete des Kaisers, und wir Franken haben ihnen niemals ein Unrecht getan. Oder täusche ich mich?“
„Natürlich nicht.“ Waratto hielt dem prüfenden Blick Odos stand und fügte bekräftigend hinzu: „Kein Unrecht. Niemals!“
„Dann kann uns ja wirklich nichts geschehen. Ihr habt sicher ein Floß für den Übergang. Unsere
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