Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
schilderte.“
„Nicht ganz so, doch ungefähr.“
„Auch dass sie ihm freiwillig folgte?“
„Erinnerst du dich, wie Wido den Überfall darstellte? Der Tölpel verplapperte sich. Er sagte: ‚Sie rannten zusammen davon.‘“
„Aber das könnte ja auch bedeuten“, bemerkte ich, einer plötzlichen Eingebung folgend, „dass sie sich kannten. Und dass alles verabredet war!“
„Und wenn es so wäre?“ Odo setzte sich auf und begann, seine lange, fleischige Nase zu kneten, was er immer tut, wenn er sich in einen Gedanken vertieft. „Du hast recht, so kann es gewesen sein! Primo . Warum sollten sie sich nicht gekannt haben, vielleicht schon sehr lange? Natürlich! Er spricht das Diutisk fließend, und ich erinnere mich, dass der Sichelbart unterwegs mal erzählte, ein Sohn seines Knes habe eine Zeitlang in der sächsischen Grafschaft als Geisel gelebt. Das war dieser Slawomir – ohne Zweifel! Secundo . Er lernt das Mädchen im Hause Warattos kennen, und sie verlieben sich ineinander. Waratto bekommt das mit und beeilt sich, den als Freier Unerwünschten nach Hause zu schicken. Die beiden Verliebten werden getrennt. Tertio . Waratto verlobt seine Tochter dem Sohn seines Freundes Remmert, mit dem er Geschäfte im Sklavenhandel macht. Die Elbe ist breit, doch nicht breit genug, um nicht heimliche Botschaften auszutauschen. Die verzweifelte Sachsenbraut schickt Hilferufe an ihren wendischen Geliebten. Quarto . Der Tag der Hochzeit wird bestimmt. Bräutigam Wido wird die Braut abholen, um sie in sein Haus zu bringen. Man muss unterwegs übernachten, natürlich bei Zelibor. Die Nachricht davon erreicht Slawomir, der sich vornimmt, die Liebste zu entführen. Der Knes will aber nichts davon wissen, hält das für einen dummen Streich, der schlimme Folgen haben könnte. Ein höheres Ziel für das Unternehmen muss her – die Befreiung der Gefangenen. Nun hat der Alte nichts mehr dagegen. Alles soll in der Nacht geschehen, zwei große Boote werden abgeschickt, zwei Flöße in Bereitschaft gehalten. Vielleicht wird Warattos regsame Tochter eingeweiht, vielleicht soll sie ihren Befreiern die Türen öffnen …“
Odo schwieg und knetete wieder seine Nase.
„Hört sich alles vernünftig an“, sagte ich. „Und weiter? Quinto?
Wenn du mit primo anfängst, endest du doch immer mit quinto .“
„Recht hast du. Man muss jede Gelegenheit nutzen, um seine Bildung zu zeigen. Und wenn man fünf lateinische Wörter kennt, soll man seine Rede mit ihnen schmücken und keines auslassen. Quinto also: Die Sache geht zunächst schief. Der Wind, die Strömung und so weiter. Ein Boot mit 20 Mann geht verloren. Bei Zelibor sind sie gewarnt. Unser Liebhaber landet trotzdem und liegt mit dem Rest seiner Leute im Gebüsch auf der Lauer. Jetzt lacht ihm Fortuna: Der Brautzug kommt und wird aufgerieben – lassen wir offen, ob unverzüglich oder erst, als das Mädchen zurückkehrt. Das Zweite ist sogar wahrscheinlicher, weil die feindliche Truppe nun auseinandergesprengt ist. Jedenfalls wird der ursprüngliche Plan, die Entführung des Mädchens, noch ausgeführt. Zur Beschwichtigung seines Vaters schleppt der Verliebte vier edle Franken und Sachsen als Gefangene an. Die Braut begehrt er natürlich für sich. Dann aber geschieht etwas Unerwartetes.“
„Der Alte beschließt, das Mädchen selbst zu heiraten.“
„Ein verhängnisvoller Beschluss. Die Torheit und Selbstüberschätzung alter Tyrannen. Natürlich sind alle um ihn herum dagegen, aber das kümmert ihn nicht. Er hat es auch eilig, weil er dem Aufstand unter der Gürtelschnalle nicht traut und fürchtet, der könnte schnell wieder abflauen. Schon drei Tage später ist Hochzeit. Sohn Slawomir muss tatenlos zusehen und mitfeiern. Seine Mutter, die Hauptfrau des Alten, verzehrt sich in stiller Wut. Die Neue ist mindestens 25 Jahre jünger und Tochter des verhassten fränkischen Grafen. Soll die nun an ihrer Stelle die Erste werden? Warattos Tochter strebt das auch an … nur nicht so, nicht als Gemahlin des Alten. Was tun? Wenn sie für seinen Nachfolger frei werden soll, gibt es nur eine Möglichkeit.“
„Ja“, sagte ich, „so mochte sie denken. Und glaubst du, dass Slawomir eingeweiht war?“
„Nein, das wohl nicht. Der scheint mir ein Kerl von edlem Holz zu sein, das heißt aber auch: ein gehorsamer Sohn. Empörte sich nicht gegen den Vater und versucht, es auch seiner Mutter recht zu machen. Hast du bemerkt, wie unverwandt sie ihn anstarrte und wie dieser bohrende
Weitere Kostenlose Bücher