Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
wir mit ihr sprechen? Erlaubt ihr uns das?“
Sparuna übersetzte die Frage, und gleich erhoben sich Proteste. Pribislaw und andere Männer gaben uns heftig Zeichen, diesem Ansinnen werde auf keinen Fall stattgegeben. Slawomir fing einen Blick seiner Mutter, der auf mich wie ein Befehl wirkte.
„Und was geschah weiter?“, wandte ich mich an den jungen Wendenfürsten. „Wie brachtet Ihr Eure Gefangenen in Sicherheit? Ihr sagtet, dass Ihr Euch in der Nähe von Zelibors Haus befandet. Konnte der Kampf nicht von dort beobachtet worden sein?“
„Das befürchteten wir“, erwiderte er. „Dorthin flüchteten sicher auch Remmert und Wido. Sie würden kommen und uns suchen. So schwer es uns fiel, wir ließen das Boot zurück und zogen am Ufer stromaufwärts. Ein hoher Baum, eine Esche, war der vereinbarte Punkt für den Fall, dass wir Erfolg gehabt hätten. Von dort aus gaben wir unseren Leuten auf der anderen Seite Zeichen. Sie dachten, wir hatten die Verschleppten, mehrere hundert, und kamen mit zwei Flößen herüber. Eines hätte genügt …“
„Ihr hattet nur ein paar Franken und Sachsen. Die Ihr hierherbrachtet, nehme ich an.“
„Ja.“
„Was wurde aus den vier Männern? Wo sind sie?“
„Sie sind hier in der Burg und werden bewacht, aber gut behandelt. Sie sind Geiseln. Wir erfuhren von ihnen, dass sie in Sachsen zu denen gehören, für die das höchste Wergeld gezahlt wird. Mein Vater wollte sie gegen unsere Leute austauschen.“
„Aber das Mädchen wollte er behalten!“, warf Odo ein.
Slawomir antwortete nicht gleich. Sein Blick irrte wieder zur Seite, hinüber zu dem Leichnam unter dem Bärenfell und den klagenden Frauen.
Dann sagte er leise, stockend: „Als er sie sah … da empfand er gleich Liebe zu ihr. Und er … und er beschloss, sie in seine Familie aufzunehmen.“
„Als sechste Ehefrau. War sie einverstanden?“
Wieder zögerte Slawomir lange.
„Nein“, sagte er dann. „Sie sträubte sich. Aber er hatte das Recht …“
„Wusste er, dass sie die Braut eines sächsischen Edelings war?“
„Er wusste es. Aber es galt nichts, die Sachsen sind nicht unsere Freunde.“
„Wie sträubte sich das Mädchen?“
„Sie … sie drohte ihm. Sagte, er werde es bereuen.“
„Und wie noch?“
„Sie schlug und kratzte die Frauen, die sie zur Hochzeit schmücken wollten. Sie schmähte die Götter und ließ sich nicht in den Tempel führen.“
„Das alles nützte ihr aber nichts.“
„Nein.“
„Folgte sie heute Nacht Euerm Vater freiwillig in das Haus, oder musste man sie ihm mit Gewalt zuführen?“
„Sie folgte freiwillig“, sagte Slawomir. Einen Augenblick schien er nachzudenken, dann fügte er hinzu: „Aber sie hatte auch keine andere Wahl.“
„Waren die beiden allein im Hause?“
„Ja.“
„Betraten sie es zur selben Zeit? Oder wartete er drinnen auf sie?“
„Er wartete. Der Brautführer brachte sie ihm.“
„Vielleicht war er schon tot, als sie eintrat.“
„Das kann nicht sein. Dann wäre sie früher herausgekommen.“
„Wie kam er nach Eurer Meinung ums Leben?“
„Es waren die Geister. Sehr viele und starke Geister. Wir haben sie nicht vertreiben können.“
„Ihr seid also sicher, dass es die Geister waren!“, sagte ich, seine letzte Antwort eifrig aufgreifend. „Hat man von dieser Tat der Geister an seinem Körper irgendwelche Spuren entdeckt? Weist der Leichnam Verletzungen auf?“
„Geister hinterlassen keine Spuren.“
„Ja, natürlich nicht“, sagte ich zufrieden. „Das bedeutet doch aber, dass die Braut ohne Schuld an seinem Tode ist.“
„Das wissen wir nicht.“ Wieder ein Blicktausch des Slawomir mit seiner Mutter. „Vielleicht benutzten sie die Geister …“
Nachdem Sparuna alles übersetzt hatte, ereiferten sich die Männer wieder, gestikulierten und gaben einander irgendwelche für uns unverständliche Zeichen. Diesmal stritten sie untereinander, und kurze Zeit später schienen sie unsere Anwesenheit gar nicht mehr wahrzunehmen. Slawomir beteiligte sich nicht an den heftigen Reden und Gegenreden. Er trat beiseite, wandte sich ab, verschränkte die Arme und starrte hinauf zum Dachgebälk. Ich sah etwas auf seiner Wange glänzen. War das vielleicht eine Träne?
Ich setzte mich wieder neben Odo, und er neigte sich zu mir.
„Hier kommen wir jetzt nicht voran, Vater. Wir sollten uns erst einmal zurückziehen und später weiter verhandeln. Ohne den stillen Hochzeiter dort und seine untröstlichen Kebsen. Ich nehme an, sie
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