Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
werden ihn noch heute beerdigen. Hoffentlich sind Reste vom Hochzeitsmahl da. Höchste Zeit zu frühstücken.“
„Und was machen wir mit den Geschenken? Verteilen wir sie noch?“
„Wo denkst du hin? Wir nehmen sie erst einmal wieder mit. Der Empfänger ist verstorben, der Nachfolger noch nicht ernannt. Wenn niemand für die Verteilung zuständig ist, stürzen sie sich gleich alle auf einmal darauf. Wäre doch schade um die schönen silbernen Becher und Schüsseln. Sie würden ihre Äxte nehmen und alles in tausend Stücke schlagen.“
„Du meinst, Hacksilber daraus machen?“
„Das ist nun mal ihre Währung. Leinentücher und Hacksilber. Merkwürdiges Volk. Am besten, wir machen selbst etwas klein, für den Fall, dass wir uns hier noch eine Weile herumtreiben müssen.“
„Sollten wir nicht noch einmal wegen des Mädchens, das heißt der jungen Witwe …“
„Keine Sorge. Wir werden die wehrhafte Braut, die Tochter meines Herzensfreundes Waratto, schon freibekommen. Gewiss, die Unterhandlungen können noch schwierig werden. Aber Gefahr ist nicht mehr vorhanden. Du hast ja gesehen, wie ich die Filzhüte beeindruckt habe. Die können sich nun endlich eine Vorstellung machen, wie er aussieht – der mächtige Kaiser Karolus Magnus!“
Odo erhob sich majestätisch, ordnete die Falten seines Purpurmantels, grüßte alle, verneigte sich auch noch einmal gegen den Leichnam und ging gemessenen Schrittes hinaus.
Es hatte ihn aber niemand beachtet. Keiner hinderte Helko und Fulk daran, die Truhe zu schließen und ihm zu folgen. Ich grüßte auch den Rücken des Slawomir, doch der gab mir ebenfalls keine Antwort.
Wir kehrten in unser hastig bei Nacht errichtetes Lager am See zurück und wurden angenehm überrascht: Das Frühstück war fertig. Rouhfaz hatte ein Feuer gemacht und briet Fische. Neben ihm stand ein ganzer Holzeimer voller fetter Barsche und Plötzen.
„Wo hast du die her?“, fragte ich.
„Handel und Wandel“, sagte er stolz. „Man hält uns für Kaufleute. Ich habe nicht widersprochen. Einem Fischer hab ich den ganzen Fang abgekauft.“
„Und womit hast du bezahlt?“
„Ein Säckchen Salz, wir haben ja einen ganzen Bottich im Wagen. Sie sind verrückt danach, weil sie schon jetzt ihre Wintervorräte anlegen.“
„Sie glauben tatsächlich, dass wir Kaufleute sind?“
„Ja, hier kommen oft welche durch. Ich habe gesagt, wir sind unterwegs zu den Wislanen und Wolhyniern und wollen dann weiter nach Kiew und Rostow.“
„Da bist du wohl überall schon gewesen, du Herumtreiber“, warf Odo ein.
„Ja, Herr Odo, auch ich bin weit in der Welt herumgekommen“, erklärte der dünne Kahlkopf stolz.
„Nun, dann dürfen wir uns wohl in Wolhynien, Kiew und Rostow nicht blicken lassen“, sagte Odo launig, während er mit seinem Dolch einen Fisch zerlegte. „Wer weiß, Rouhfaz, was du dort alles angestellt hast. Aber die Vorstellung, dass wir als Kaufleute weiterreisen, ist gar nicht so übel. Wenn schon kein Weg zurückführt … Was meinst du, Vater?“
„Wir sollten lieber darüber nachdenken“, sagte ich, während ich Gräten aus den Zähnen polkte, „wie wir die Geiseln befreien und doch noch sicher nach Hause kommen.“
„Gewiss, aber im Falle der äußersten Not wäre das eine Lösung. Als letzte Flucht vor dem Höllentor, wo ich mich zweifellos irgendwann wiederfinde. Diesen Augenblick möchte ich noch etwas hinausschieben.“
„Wenn du ab und zu betest und Gott um Hilfe anrufst, wirst du ihn niemals erleben.“
„Diesen Rat musst du mir pflichtgemäß geben, Freund, aber sprechen wir nicht mehr vom Jenseits. Auch zum Himmelstor zieht es mich jetzt noch nicht, weil dort die Frommen vermutlich Schlange stehen und strengen Kontrollen unterworfen werden. Ist ebenfalls keine gute Aussicht. Was meinst du? Würden wir nicht ein ehrbares, vertrauenerweckendes Kaufmannspaar abgeben? Ich – stattlich und würdevoll, du – rund, fett und nach Wohlstand riechend?“
„Und womit wollten wir handeln?“
„Oh, wir kaufen Waren ein und verkaufen sie mit Gewinn. So geht das doch. Oder nicht?“
„Und wie willst du die Ware bezahlen?“
„Na, mit dem Silber in der Truhe. Wir hacken alles klein, nach wendischer Stammessitte, und kaufen damit günstig Pelze, Honig, Wachs, Hirschhorn und alles, womit sie hier handeln. Und dann auf nach Dänemark und Britannien.“
„Odo!“, sagte ich vorwurfsvoll. „Unsern Herrn Kaiser bestehlen? Mit seinen Geschenken Handel treiben? Allein der
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