Tödliche Ernte
machen. Laurias Stimme war sanft und herzlich. »Wenn ich das richtig verstanden habe, Mary, dann hat Gert Ihnen die Papiere kurz vor Ihrem Aufbruch von der Arbeit mitgegeben.«
»Ja«, sagte Mary und sah auf die Uhr.
»Und was hat sie dann gemacht?«, fragte Lauria.
»Sie, äh, sie hat sich von mir und Charlie verabschiedet und ist gegangen.«
»Haben Sie gesehen, wie sie zu ihrem Wagen gegangen ist?«, fragte Lauria weiter.
»Ja. Sie hatte vergessen, mir zu sagen, welche Zimmernummer Sie haben, also bin ich ihr nachgelaufen.«
»Und wo war sie, als sie Ihnen die Zimmernummer sagte?«
»Am Auto. Sie sagte mir die Zimmernummer und meinte dann, wir sehen uns abends hier im Trip’s.« Marys Hand streichelte Farfuls Kopf.
»Und das war das Letzte, was Sie von ihr gesehen haben?«, meinte Lauria.
»Ja. Kann ich jetzt gehen?«
»Wo wollen Sie denn hin?«, fragte Lauria.
Ich sah das als Versuch, Marys Vertrauen zu gewinnen, doch stattdessen wurde sie nur noch nervöser. Sie fummelte an einem losen Faden ihres Pullis herum.
»Wahrscheinlich finden Sie es sowieso heraus«, sagte Mary. »Privatsphäre gibt’s ja heutzutage nicht mehr.«
»Mary, Sie …«
»Ist schon in Ordnung, Emma. Ich gehe zu einem Treffen der Anonymen Alkoholiker. Im College hatte ich Probleme.«
Ich war überrascht, aber das ergab Sinn.
Lauria tätschelte dem Mädchen die Hand. »Viele Leute haben Probleme. Ich bin froh, dass Sie etwas gegen Ihre unternehmen.«
»Sie erzählen’s doch nicht weiter, oder?«, fragte Mary.
»Nein«, antwortete Lauria.
Ich fühlte mich total schlecht, weil ich ein Geheimnis entdeckt hatte, von dem ich nie hätte wissen sollen.
»Nur noch ein paar Minuten.« Lauria ging noch einmal ihre Notizen aus dem Gespräch mit dem Wachmann durch. »Hat Gert erwähnt, ob es jemand Neues in ihrem Leben gab? Einen neuen Partner? Einen Freund? Irgendjemanden?«
»Mir gegenüber nicht«, antwortete Mary.
»Der Wachmann meinte, er hätte gerade noch die Rücklichter eines Wagens gesehen, der kurz nach Miss Gomez abgefahren ist. Haben Sie den Wagen auch gesehen, Mary?«
Mary kaute an einem Nagel. »Ich weiß nicht.«
Ich konnte Laurias Enttäuschung spüren. Und wenn ich sie spürte, spürte Mary sie auch. Ich schraubte meine Stimme höher.
»Mary«, sagte ich. »War denn da ein verdächtig aussehender Wagen auf dem Parkplatz oder ein Fremder oder sonst irgendetwas Ungewöhnliches?«
»Nein«, sagte sie. »Aber, na ja …«
»Was auch immer, Mary. Ganz egal, wie nebensächlich.«
Ihr Kopf richtete sich auf. »Es war ziemlich kalt. Ich war ohne Mantel draußen, weshalb ich gefroren habe und … und ich habe die Auspuffgase eines Autos gesehen, das nicht weit weg von Gerts parkte.«
»Also haben Sie einen parkenden Wagen mit laufendem Motor gesehen«, sagte ich. »Aber keine Scheinwerfer?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Konnten Sie das Auto erkennen? Ist es Gert nachgefahren?«
Mehr Nägelkauen. »Ich habe nichts gesehen. Nicht, als ich draußen war. Wie ich schon sagte, es war echt kalt, also bin ich wieder reingerannt. Ich hab nicht wirklich drauf geachtet. Tut mir leid.«
»Das muss Ihnen nicht leidtun, Mary«, sagte ich.
Lauria stieß mein Knie an, also sagte ich nichts mehr.
»Versuchen Sie, den Wagen zu beschreiben«, sagte Lauria.
»Ich kenne mich mit Autos nicht so gut aus. Ich weiß nur noch, dass er groß und dunkel war. Lang. So was wie ein Geländewagen. So ähnlich wie Tallys, aber in einer anderen Farbe.«
»Fährt Miss Whyte nicht einen Jeep?«, fragte Lauria.
»Ja.« Mary lächelte. »Ich glaube schon. Aber … ich weiß nicht mit Sicherheit, ob es wirklich ein Jeep war. Kann ich jetzt gehen?«
»Eine Sekunde«, meinte Lauria. »Sie sagten, der Wagen sei dunkel gewesen. Versuchen Sie, sich die Farbe vorzustellen.«
»Es war dunkel draußen. Die Laternen auf dem Parkplatz brannten. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass er schwarz war, vielleicht. Aber ich weiß nicht wirklich. Ich wünschte, ich täte es.«
Lauria tätschelte ihre Hand. »Danke für Ihre Hilfe.«
In Marys Augen sammelten sich Tränen. »Gert sagte noch, wir sehen uns später. Ich bin so durcheinander. Wir wollten uns hier treffen. Spaß haben. Es wird ihr doch gut gehen?«
»Wir finden sie schon«, sagte Lauria. »Keine Sorge.«
»Also brauchen wir uns keine Sorgen zu machen, hm?«, sagte ich, nachdem Mary gegangen war.
Lauria zündete sich eine Zigarette an. »Doch, das sollten wir. Sie fahren einen Jeep,
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