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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicky Stiefel
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sein«, sagte sie und klemmte sich die Handtasche unter den Arm. »Bei meinen Stundensätzen muss ein irisches Mädel auch was hermachen. Bereit zum Abflug?«
    Dixie ging nirgendwohin zu Fuß, also fuhren wir die zwei Blocks bis zu Blessings Appartement. Die Haustür war nicht verschlossen, und wir erklommen die wackelige Treppe, wobei wir immer wieder über die Schulter zurückblickten. Dixie holte einen Schlüssel hervor – der Himmel wusste, wie sie an den gekommen war – und öffnete die Tür zu Blessings Wohnung, nachdem wir uns Handschuhe übergezogen hatten.
    »Hab ich dir nicht gesagt, dass das hier ein Saustall ist?«, fragte sie.
    »Saustall? Das ist noch freundlich ausgedrückt.« Die Einrichtung bestand aus einem durchgelegenen Bett, Obstkisten als Tischen, einer Kommode, einem Fernseher, einem orange Sitzsack, aus dem die kleinen weißen Kügelchen rieselten, und Haken an den Wänden anstelle eines Schranks. Deprimierend war gar kein Ausdruck.
    »Was hoffst du denn zu finden?«, fragte Dixie.
    »Den Schlüssel zu Roland Blessing.«
    Wir fingen an, die Wohnung zu durchsuchen.
    Ich hob die schmutzige Bettdecke hoch. »Igitt.« Auf einer der Kisten neben dem Bett lag ein Fotowürfel aus Plastik, der vom Alter und vom Nikotin schon ganz gelb war. Die Bilder darin zeigten ein sommersprossiges Kleinkind, eine Acht- oder Neunjährige mit roten Haaren, eine Jugendliche im Overall und eine hinreißende junge Frau mit wehendem, rotblondem Haar. Alles Moira. Ihr Blick war vom Kleinkind bis zur Erwachsenen immer starr auf die Kamera gerichtet. Ein ernsthaftes Mädchen.
    Warum hatte Blessing den Würfel nicht mitgenommen? – »Sieh mal, was ich gefunden habe, Tally.«
    Dixie hielt einen Müllkorb aus verrostetem Blech hoch. Darin lag eine leere Tube Blondiermittel.
    »Mist. Jetzt haben wir einen blonden Blessing.«
    »Vielleicht«, sagte sie. »Lass uns schnell machen, sonst krabbeln mir die Kakerlaken noch in die Klamotten. Wie geht’s dir so?«
    »Es gibt nicht viel Neues.«
    »Ich meinte deinen Dad, und das weißt du auch.«
    »Besser. Dad ist seit zwanzig Jahren tot. Ich vermisse ihn immer noch.«
    »Richard ist nun fünf Jahre tot. Hat er nicht gestern noch lachend neben mir gestanden?« Sie hielt ein Papierbündel hoch. »Sieht nach alten Rechnungen aus. Interessiert dich das?«
    »Telefon?«
    Sie blätterte. »Gas. Strom. Kein Telefon.«
    »Dann lass sie.«
    »Diese Sache mit deinem Vater. Sie hat deine Ehe zerstört.«
    »Und was ist mit Marks Neigung zum Fremdgehen? Wir sollten uns beeilen.«
    »Was war bei Mark zuerst da, Tally, die Henne oder das Ei?«
    »Mark hat behauptet, ich sei ›emotional unzugänglich‹. So ein Quatsch. Damit ist er erst rausgerückt, als ich ihn mit dieser kleinen Nutte in unserem Bett ertappt habe.«
    »Er war echt mies. Aber vielleicht ist es in jeder Hinsicht Zeit, nach vorne zu sehen, meine kleine Tally.«
    »Ich werde darüber nachdenken, Frau Doktor.« Ich lugte unters Bett und zog einen langen, schmalen Kasten mit Schnallen und Tragegriff hervor.
    Moiras Flötenkasten.
    Ich ließ die Schnallen aufspringen und hob vorsichtig den Deckel an. Das Innere war mit leuchtend blauem Samt ausgeschlagen und zeigte das Bett für eine Flöte. Natürlich fehlte die Flöte. Ihr Mörder hatte sie benutzt, um –
    Ein Geräusch? Ich beugte den Kopf hinunter zu dem Kasten. Ein Ticken. Hatte es angefangen, als ich den Kasten geöffnet hatte?
    Heilige Scheiße! »Wir müssen hier raus, Dix!«
    Ich schob sie zur Tür hinaus und genau in einen von Pisarros Handlangern, die ich gestern gesehen hatte.
    »Ein Ticken!«, rief ich. »Könnte ’ne Bombe sein.«
    Alle drei hasteten wir zur Treppe. Meine Beine leisteten Extraarbeit. Wir polterten die Treppe hinunter, landeten stolpernd und stürzten gerade zur Tür, als –
    Ein Wecker klingelte. Laut. Dring, dring, dring, dring, drrrrrrring.
    Nach Luft schnappend blieben wir stehen und warteten, noch halb vorgebeugt von unserem Sprint.
    Das Klingeln hörte endlich auf, dann herrschte Stille.
    Besorgt sahen wir uns an, ob wir uns nun alle wegen eines Weckers lächerlich gemacht hatten.
    Wie blöd.
    »Suchst du nach was?«, fragte ich den Handlanger.
    Der Kerl blinzelte. Pisarros Jungs waren nicht gerade als Schnelldenker bekannt. Er deutete mit dem Finger auf mich. »Ich kenne Sie.«
    »Sag Harry einfach schöne Grüße von uns.«
    Ich war froh, dass wir wieder draußen auf der Straße waren. »Also gut, eine Bombe war es nicht.«
    Dixie steckte

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