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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicky Stiefel
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malerische Straße direkt am Charles River dicht war.
    Nur stockend ging es weiter, und schließlich konnte ich die Ausfahrt nehmen und den Charles River überqueren. Als ich endlich auf der anderen Seite von Cambridge ankam, konnte ich mir vorstellen, dass Mrs Cheadle ein neues Leben begonnen hatte, so lange hatte ich gebraucht.
    Ich drückte die Klingel an Mrs Cheadles Haustür und hüpfte vor Kälte von einem Fuß auf den anderen. Kein Summton ließ sich hören, also versuchte ich es selbst. Der Griff drehte sich, und ich eilte zu Mrs Cheadles blau gestrichener Wohnungstür.
    Ich klopfte zwei Mal, und als sie nicht aufmachte, suchte ich in meiner Tasche nach meinem Notizblock, um ihr eine Nachricht zu hinterlassen.
    Im Wohnungsinnern polterte es.
    »Mrs Cheadle?«, rief ich.
    Stille.
    »Mrs Cheadle?« Die Tür gab unter meinen Fingern nach. Ein schlechtes Zeichen. Ein Klirren. Die Kette und die Wandplatte waren aus ihrer Verankerung gerissen. Oh Gott.
    Ich lugte ins Dunkel – die Lichter waren aus und die Rollos heruntergelassen. Das Pfefferspray in der Hand trat ich ein.
    Jemand rammte mir heftig den Ellbogen in den Rücken. »Scheiße!«
    Ich ruderte mit den Armen, fiel aber trotzdem und streifte mit der Wange eine scharfe Kante. Dann prallte ich auf den Boden.
    Ich rollte mich herum und sah kurz ein dunkles Sweatshirt, eine ausgebeulte Hose und behandschuhte Hände, bevor er die Tür zuknallte und das Zimmer wieder ins Dunkel tauchte. Ich rappelte mich mit pochender Wange hoch und riss die Tür auf.
    Ich rannte durch den Hausflur und durch den Windfang hinaus.
    Nichts. Die Straße war leer.
    »Mrs Cheadle?«, rief ich und kehrte zurück in die Wohnung.
    Wieder herrschte Stille, abgesehen vom Miauen einer Katze.
    Herrje, hoffentlich ging es ihr gut. Ich legte den Lichtschalter um. Nichts. Ich knipste meine Mini-Maglite an. Der Küchentisch war umgestürzt. Zwei Stühle ebenfalls.
    Was, wenn noch ein zweiter Eindringling hier war?
    Ich umklammerte das Pfefferspray fester und folgte dann meinem Licht ins Wohnzimmer. Ein umgeworfener Tisch, zerbrochene Lampen, zwei umgekippte Stühle. Der Übeltäter hatte sogar in den Fernseher getreten.
    Mein Magen krampfte sich zusammen. Es war noch jemand in der Wohnung. Vielleicht nur die Katzen. Oder Mrs Cheadle. Hoffentlich Mrs Cheadle.
    Eine Bewegung. Ich zuckte zusammen. Ihre graue Katze legte sich aufs Sofa und leckte sich den Bauch.
    »Mrs Cheadle?«, wiederholte ich und verwünschte meine zittrige Stimme.
    Ich leuchtete ins Schlafzimmer. Es sah nicht so verwüstet aus. Und es sah verlassen aus. Ich lugte unters Bett. Vier reflektierende Katzenaugen starrten zurück.
    Verdammt, wie ich das hasste.
    Ein Geräusch, hinter mir. Ich fuhr herum, immer noch auf Knien. Ein Schlachtermesser blinkte auf und kam auf mich zu.
    Mist! Ich schnappte mir die Beine des Messerschwingers und zog sie mit aller Kraft nach oben.
    Er war so leicht, dass er aufs Bett plumpste, wo er ausgestreckt mit einem »Umpf« landete. Ich sah das Messer aufblitzen, als es ihm aus der Hand fiel.
    Das Adrenalin hatte mich aufgepeitscht, und meine Finger zitterten, als ich das Pfefferspray vor sein Gesicht hielt und ihm mit der Lampe in die Augen leuchtete.
    Allerdings erwies »er« sich als eine kleine »sie« – wirres weißes Haar unter einer Baskenmütze, ein faltiges Gesicht, ein Hausmantel, der über den Hüften zusammengerutscht war.
    »Ich bin’s, Mrs Cheadle – Tally«, sagte ich. «Oje, es tut mir leid.«
    Sie faltete die Hände und kniff die Augen zu. »Gypsy Rose sei Dank, dass sie ein Auge auf mich hatte.« Sie hielt mir eine Hand hin. »Auf geht’s, junge Dame, helfen Sie einer alten Frau auf. Ich habe vor Angst fast den Verstand verloren.«

9
    Ich half Mrs Cheadle auf die Beine – sie reichte mir kaum bis zu den Schultern – und ging mit ihr ins Wohnzimmer. Ich stellte einen Stuhl auf und bugsierte sie darauf.
    Sie steckte sich die Haare wieder fest, schob die Baskenmütze zurecht und seufzte. Sie sagte mir, wo der Sicherungskasten war, und ich legte die Schalter wieder um. Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, war Mrs Cheadle von einem halben Dutzend Katzen umgeben, die sich auf der Rückenlehne, den Armlehnen und ihrem Schoß tummelten.
    »Geben Sie mir das Ding«, sagte sie und winkte mich zu sich.
    Ich reichte ihr das Messer, das sie neben sich steckte. »So fühle ich mich sicher, auch wenn ich weiß, dass das eine Illusion ist.«
    »Mir hat es gewaltig Angst eingejagt.«
    Sie

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