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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicky Stiefel
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zusammen. »Denken Sie noch mal nach. War irgendetwas ungewöhnlich in diesem Bestattungsunternehmen, merkwürdig oder … ich weiß auch nicht … seltsam?«
    »Seltsam? Das einzig Seltsame war, dass ich Della dort gefunden habe.«
    »Sie haben Della gefunden?«
    »Ja … ja. Aber bitte lassen Sie mich hier erst Ordnung schaffen. Dann können wir uns besser unterhalten.«
    »Ich mache das«, sagte ich. »Sie schauen zu.«
    Sie weinte, als ich die Reste ihrer Zeit beim Varieté zusammenkehrte. Noch immer konnte ich die Wut des Eindringlings spüren. Sie erinnerte mich an Blessings Zorn und an die Zerstörung, die ich bei McArdle gesehen hatte. Das war kein zufälliger Einbruch gewesen.
    Schließlich ließen wir uns bei einer Tasse Tee nieder.
    »Dellas war der erste und – so Gott will – der letzte Leichnam, den ich dort gesehen habe«, setzte Mrs Cheadle an. »Hat mir eine Heidenangst eingejagt. Die Räume im Keller waren nämlich immer verschlossen. Mr McArdle meinte, er macht da selbst sauber. Aber als ich letzte Woche den Boden im Keller gewischt habe, bin ich über meinen Eimer gestolpert. Das Putzwasser ist überall hingeflossen, und ich bin fast verrückt geworden, als es unter der Tür zum Einbalsamierungszimmer durchgedrungen ist.«
    Ich schenkte uns Tee nach.
    »Ich wollte das natürlich wieder aufwischen«, fuhr sie fort. »Also bin ich nach oben, hab mir aber gesagt, dass ich es bleiben lassen sollte. So was trocknet auch von alleine. Aber weil ich sehr ordentlich bin, bin ich in sein Büro gegangen, um den Schlüssel zu holen. Und weil er nicht da war, sah ich keinen Grund, ihn nicht für ein paar Minuten auszuleihen.« Sie lächelte verschwörerisch.
    »War denn gar niemand da?«, fragte ich.
    »Absolut niemand, was normal war. Mr McArdles Unternehmen florierte nicht gerade. Also schloss ich auf, sah aber nicht zum Tisch hinüber. Absichtlich nicht. Ich dachte ja, ich wäre ruck-zuck fertig. Aber als ich mit dem Wischen fertig war, fiel mir ein Kleid auf, das über einer Stuhllehne hing. Es war mit leuchtend violetten und grünen Blumen bestickt. Genau wie eines, das Della oft trug. Sie hatte es selbst bestickt. Ich dachte, Oh nein, und warf einen Blick auf die Leiche. Und natürlich war es meine wunderschöne Della. Da lag sie, nackt auf dem Email.« Sie zog ein dunkelrotes Taschentuch aus der Tasche ihres Hauskleides und wischte sich die Augen.
    »Was für ein furchtbarer Schock.«
    »Ja. Ich hätte sie am liebsten zugedeckt. Was für ein dummer Gedanke.«
    »Eigentlich ist das nur natürlich.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich war nicht ich selbst. Schrecklich, aber das ist mir peinlich.«
    »Das muss es aber nicht. Jemand, den Sie sehr geliebt haben, ist gestorben. Völlig unerwartet. Und dann liegt sie da vor Ihnen und ist nicht mal angezogen. Und dann noch Dellas Augen.« Ich hatte weit Schlimmeres gesehen, aber was für ein Schreck für diese arme alte Frau.
    Sie rührte und rührte in ihrem Tee. »Ihre schönen Augen. Aber das meinte ich nicht. Was mich so abstieß, waren diese grässlichen Nähte. Diese großen, hässlichen Stiche.«
    »Dellas Leichnam war zugenäht?«
    »Oh, aber ja. Mit jeder Menge Stichen. Sie wissen schon, so wie die Bestatter es machen, nachdem sie die Leichen aufgeschnitten haben, um sie zu präparieren.«
    »Mrs Cheadle, ein Leichenbestatter schneidet doch nicht den ganzen Rumpf auf. Der macht vielleicht fünf, acht Zentimeter lange Einschnitte.«
    Sie legte eine Hand an die Wange. »Ach, wirklich? Aber irgendjemand hat die arme Della ganz aufgeschnitten.« Ihre Hände fuhren von den Schultern über die Brust zum Solarplexus, weiter zum Nabel und über den Unterleib. Abrupt hielt sie inne. »Die Stiche gingen bis zu ihrem Intimbereich.«
    Sie hatte ein Y gezeichnet – der klassische Obduktionseinschnitt.
    Da sie nie durch den Kummerladen gekommen war, stellte sich die Frage, wer Della Charles obduziert hatte? Und warum?
    An der Tür verweilte ich noch kurz, um mich von Mrs Cheadle zu verabschieden. Wir wollten uns demnächst wieder auf einen Tee treffen, und sie strich mir über die Wange, als wäre ich eine ihrer Katzen. Ich verließ sie nur ungern.
    »Ach, Tally!«, sagte Mrs Cheadle. »Ich habe ja noch etwas vergessen. Schrecklich, wenn man alt wird. Der Einbrecher vorhin. Er sagte was von, bitte entschuldigen Sie den Ausdruck, ›Fick Pisarro‹. Ich weiß nicht, was er damit meinte, aber vielleicht bedeutet es ja etwas.«
    »Ja, das könnte sein.«
    Vom Auto aus

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