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Tödliche Ewigkeit

Tödliche Ewigkeit

Titel: Tödliche Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Marquet
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ist es nicht gewohnt, so viel zu grübeln. Bislang hat er nur im Rahmen seiner Ermittlungen nachgedacht; sein Gehirn funktionierte mechanisch, setzte Fragen und Hypothesen als kalte Instrumente ein, die keinerlei Gefühle in ihm wachriefen und keine Rolle mehr spielten, wenn er das gewünschte Resultat erreicht hatte. Nichts liebte er so sehr wie die Momente, in denen er in Aktion war, sein Kopf völlig leer, sein Körper angespannt wie der eines wachsamen Tieres, bereit, auf die Anforderungen des Augenblicks zu reagieren. Jetzt dagegen läuft sein Geist wie ein Motor auf Hochtouren, der durch nichts aufzuhalten ist, jeder seiner Gedanken peinigt ihn, und sein ganzer Körper schmerzt. Denn er denkt nach, um eine Art Ordnung in seine Beziehung zu der Welt, zum Leben und zu sich selbst zu bringen, das seit seiner »Begegnung« mit Lucie immer wieder völlig aus den Fugen geraten ist.
    Bis zu diesem Zeitpunkt lebte Jeff in der dumpfen Angst, verrückt geworden zu sein. Hat er geträumt, ist er einer Halluzination zum Opfer gefallen, als er Lucie auf dem Revier sah?
    Seltsam: Durch die neue Hypothese ist all seine Ungewissheit wie von Zauberhand verscheucht worden.
    Er ist nicht verrückt. Es war keine Täuschung.
    Gut, er hat nicht die Lucie aus Fleisch und Blut gesehen – sie war tatsächlich tot oder starb in eben jenem Augenblick. Aber sie ist ihm erschienen, zum ersten Mal im Moment ihrer Ermordung, dann mehrmals auf verschiedene Art.
    Aber warum?
    Welch grausame Ironie: Nun, da Jeff zu der Ansicht gelangt ist, dass es sich nicht um eine Wahnvorstellung handelt, sind auch die Gründe gegenstandslos geworden, die ihn zu der Annahme verleiteten, Lucie könne unmöglich Opfer eines Raubmords sein. Fest davon überzeugt, dass sie zu Lebzeiten aufs Revier gekommen war, um ihn um Hilfe zu bitten, hatte er daraus den Schluss gezogen, dass sie sich vor ihrem Tod bedroht gefühlt hatte. Was bedeutete, dass der Mord nicht auf einen schlichten Zufall zurückzuführen war und Simon Brooks unschuldig sein musste.
    Diese Theorie ist nun hinfällig.
    Und wenn Brooks doch der Mörder wäre? Wenn Jeff sich von Anfang an geirrt hätte?
    Nein.
    Zwar hat Lucie sich nicht zu Lebzeiten an ihn gewandt, aber sie hat sich ihm gezeigt. Sie hat ihm zahlreiche Zeichen gegeben. Zeichen, die auf eine andere Spur hindeuteten …
    Ganz gleich, ob Lucie sich wirklich vor ihrem Tod bedroht gefühlt hat oder nicht.
    Gewiss, Jeff war aus falschen Gründen zu dieser Annahme gelangt. Aber hätte er sich sonst so in diese Ermittlungen gestürzt? Lucie wollte, dass er glaubte, sie real an seiner Bürotür gesehen zu haben!
    Jeff zuckte zusammen.
    Lucie musste Jeff täuschen, um ihn zur Wahrheit zu führen …
    Aber welche Wahrheit? Ist er seit Beginn der Ermittlungen auch nur ein winziges Stück vorangekommen?
    Jeff beschleunigt seinen Schritt. Laufen, bis zur Erschöpfung laufen …
    Was willst du, Lucie?
    Er kann nicht mehr denken.
    Sein Körper schmerzt von all dieser ungenutzten Energie, die seine Nerven aufwühlt. Er muss etwas unternehmen.
    Morgen wird er in aller Frühe zu Henry Buchanan gehen. Wenn er auch nicht genau weiß, was er sucht, so hat ihn doch die Erfahrung gelehrt, dass ein Fußtritt in einen Ameisenhaufen bisweilen sehr nützlich sein kann.

 
     
    DRITTER TEIL
     
    Muero porque no muero.
     
    Ich sterbe, weil ich nicht sterbe.
     
    Juan de la Cruz
     

OKTOBER 1969
     
    Erinnerst Du Dich? Ich habe an Dich geglaubt.
    Als ich noch ein Kind war, erkannte ich Dich in jedem Lächeln meiner Mutter, in jedem Windhauch, der die Äste der Weide in unserem Garten bewegte, in Deinem Wort, mit dem ich jeden Sonntag freudig meine Seele nährte. Ich betete zu Dir. Ich glaubte, Du würdest mir antworten.
    Wie dumm war ich doch!
    Ich dankte Dir für jeden Augenblick meines Lebens, das Herz bisweilen so erfüllt von Deiner Liebe, dass ich durch den Wald rennen und schreien musste, um mein Leben in den Grenzen meines Körpers zu bewahren.
    Wie dumm war ich doch!
    Entsinnst Du Dich jener Nacht, in der ich voller Dankbarkeit vor Deinem Altar kniete, weil Du es mir endlich erlaubt hattest, ihr zu begegnen? Ihr, die ich in den stummen Tiefen meines Herzens erwartet hatte, ohne dass ich es wirklich zu hoffen wagte?
    Meine Geliebte.
    Und Du hast sie mir entrissen.
    In meinen Armen hat sie ihren letzten Atemzug getan.
    Ich habe dieses leblose Fleisch an meine Brust gepresst. Tagelang habe ich mich nicht gerührt. Ich nahm die letzten Geschenke dieses

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