Tödliche Flammen: Roman (German Edition)
einzige Beziehung vorweisen kann. Da er keinen engen persönlichen Kontakt zu mir hat, kann er nicht wissen, was ich für diese Männer empfunden habe und ob es mir ernst war. Von außen betrachtet wirkte meine Beziehung mit Luke wie etwas Festes. Und, ja«, fuhr sie fort, ehe John etwas einwenden konnte, »er hat Lukes verdammtes Auto in die Luft gejagt, allerdings ohne sich mit mir in Verbindung zu setzen. Damals hat er noch nicht mit mir gesprochen.«
»Vielleicht liegt es ja auch am Zeitpunkt. Zwanzig Jahre. Jahrestage sind schließlich etwas Wichtiges. Doch es wird leichter für dich sein, ihm etwas nachzuweisen, wenn wir seine Motive kennen. Wir müssen ihm das Handwerk legen, bevor er das Spiel satt bekommt und einen Anschlag auf dich verübt. Und du weißt, dass er das irgendwann tun wird, Reena. Dir ist doch klar, wie gefährlich er ist.«
»Ja, natürlich. Ich bin mir dessen bewusst, dass ich es mit einem gewalttätigen und frauenfeindlichen Psychopathen zu tun habe, der für jede Kränkung – ob nun eingebildet oder nicht – Vergeltung fordert. Aber er wird sich noch etwas Zeit lassen, denn das Spiel ist wunderbar aufregend und gibt ihm ein Gefühl von Wichtigkeit. Allerdings könnte er dabei Menschen schädigen, die ich liebe. Das macht mir eine Heidenangst, John. Ich habe Sorge um meine Familie, um dich und um Bo.«
»Damit tust du wieder, was er will.«
»Auch das ist mir klar. Ich bin eine gute Polizistin. Bin ich eine gute Polizistin, John?«
»Ja, das bist du.«
»In meinem Beruf verbringe ich den Großteil meiner Zeit mit Ermittlungen in Fällen von Brandstiftung und versuche, sie aufzuklären. Ich beschäftige mich mit Beweisen, Details, Beobachtungen, Psychologie und physikalischen und chemischen Zusammenhängen. Ich bin keine Streifenpolizistin.« Reena holte Luft. »Die Male, die ich meine Waffe ziehen musste, kann ich an einer Hand abzählen, und ich war noch nie gezwungen, zu schießen. Ich habe zwar Verdächtige ruhig stellen müssen, aber ich hatte erst ein einziges Mal mit einem Bewaffneten zu tun. Letzten Monat. Und dabei haben mir die ganze Zeit die Hände gezittert. Ich hatte eine Neun-Millimeter-Pistole und er nur ein jämmerliches Messer. Und trotzdem, John, haben mir verdammt noch mal die Hände gezittert.«
»Konntest du den Verdächtigen überwältigen?«
»Ja.« Reena fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ja, konnte ich.« Sie schloss die Augen. »Also gut.«
Den restlichen Tag befasste sie sich mit den vielen lästigen Kleinigkeiten, die ihr Beruf so mit sich brachte. Sie las Berichte, verfasste selbst welche, führte Telefonate und wartete auf Rückrufe.
Anschließend machte sie sich auf den Weg in ihr Wohnviertel, um einen von Joeys alten Freunden zu befragen.
Tony Borelli war ein magerer, mürrischer Junge und in der Schule eine Klasse über ihr gewesen. Seine Mutter hatte, wie Reena sich erinnerte, ständig nur herumgeschrien und zu der Sorte von Frauen gehört, die tagein, tagaus auf der Vordertreppe oder dem Gehweg standen und ihren Kindern, den Nachbarn, ihrem Mann und hin und wieder auch wildfremden Menschen lautstarke Szenen machten.
Mit achtundvierzig war sie an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben.
Tony selbst war schon öfter mit dem Gesetz in Konflikt geraten: Ladendiebstahl, Autodiebstahl und Drogenbesitz. Außerdem hatte er mit Anfang zwanzig eine kurze Haftstrafe für seine Mitgliedschaft in einer Bande verbüßt, die im Süden von Baltimore mit gestohlenen Fahrzeugteilen handelte.
Er war immer noch mager, ein Klappergestell in schmierigen Jeans und einem ausgewaschenen roten T-Shirt. Auf dem Kopf trug er eine graue Schirmmütze mit der Aufschrift »Stensons Autowerkstatt«.
Er hatte gerade einen Kleinwagen auf der Hebebühne und wischte sich mit einem Halstuch, das früher einmal blau gewesen sein mochte, das Öl von den Händen.
»Joey Pastorelli? Mein Gott, den habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen.«
»Ihr beide wart damals doch dicke Freunde, Tony.«
»Als Schüler.« Achselzuckend machte er sich daran, das Öl des Autos abzulassen. »Wir haben ein paar Jahre lang zusammen herumgehangen und hielten uns für ganz böse Buben.«
»Das wart ihr auch.« Tony warf Reena einen Blick zu und hätte beinahe gelächelt. »Stimmt wahrscheinlich. Aber das ist lange her, Reena.«
Er sah zu O’Donnell hinüber, der neben einer Werkbank stand und scheinbar fasziniert die dort liegenden Werkzeuge musterte. »Irgendwann wird jeder
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