Tödliche Flammen: Roman (German Edition)
ausgebrochen?«
»Gegen zwei Uhr am Nachmittag. Die Kinder sind da üblicherweise in der Schule, die Eltern bei der Arbeit. Es war vorher nichts Besonderes vorgefallen.« Er schob sich
eine Gabel Spagetti in den Mund und schloss genießerisch die Augen. »Es ist nicht fair, dich dazu zu befragen, wenn du weder den Ort des Geschehens noch Bilder davon sehen kannst.«
»Warte einen Moment – so schnell gebe ich nicht auf.« Sie war schon immer der Überzeugung gewesen, dass Rätsel dazu da waren, gelöst zu werden. »Der Ursprungsort?«
»Der Schreibtisch des Jungen. So ein windiges Ding aus Sperrholz.«
»Ich wette, da lag eine Menge Zeug drauf, das sich leicht entzündet. Bastelpapier, Klebstoff, die Tischplatte selbst, Schulhefte und Ordner vielleicht, Spielzeug. Stand der Tisch neben dem Fenster?«
»Direkt darunter.«
»Dann gab es dort sicher Vorhänge, die rasch Feuer fingen. Um zwei Uhr nachmittags.« Sie schloss die Augen und versuchte, sich die Situation vorzustellen, wobei sie an Xanders Schreibtisch dachte, als der in dem Alter war. Eine Anhäufung von Spielzeug, Comics, Schulheften. »An welcher Wand ist das Fenster?«
»Du bist ein cleveres Mädchen, Reena. Der Südwand.«
»Wenn die Vorhänge nicht zugezogen waren, dürfte die Sonne stark in das Zimmer gebrannt haben. Und ein Junge zieht die Vorhänge nicht zu. Wie war das Wetter an diesem Tag?«
»Klarer Himmel, sonnig, warm.«
»Der Junge will Detektiv werden, also besitzt er sicher eine Lupe.«
»Treffer! Du bist wirklich schlau. Das Vergrößerungsglas liegt auf dem Schreibtisch, schräg auf einem Buch über einem Papierstapel. Die Sonnenstrahlen erwärmen das Glas, und das Papier fängt Feuer. Dann geht es auf den Holztisch und die Vorhänge über.«
»Der arme Junge.«
»Es hätte schlimmer ausgehen können. Ein Paketbote
sah den Rauch und rief sofort die Feuerwehr. Sie konnten das Feuer noch im Schlafzimmer löschen.«
»Das Fachsimpeln hat mir gefehlt. Ich weiß, ich weiß – ich bin noch Studentin, und die meisten Kurse, auf die ich mich schon freue, kann ich erst belegen, wenn ich nächstes Jahr zum Shady Grove Campus darf. Trotzdem führe ich gern ein solches Fachgespräch.«
»Da gibt es noch etwas, worüber ich mit dir sprechen muss.« Er legte seine Gabel beiseite und sah ihr in die Augen. »Pastorelli ist wieder auf freiem Fuß.«
»Er…« Sie sah sich um, ob jemand von der Familie sie hören konnte. »Seit wann?«
»Seit letzter Woche. Ich habe es gerade erst erfahren.«
»Das musste ja irgendwann passieren«, sagte Reena betroffen. »Wenn er keinen Wärter angegriffen hätte, wäre er schon früher entlassen worden.«
»Ich glaube nicht, dass er euch Schwierigkeiten machen wird. Er wird wahrscheinlich nicht einmal hierher zurückkommen. Schließlich hat er in der Nachbarschaft keine Verbindungen mehr. Seine Frau ist immer noch bei ihrer Tante in New York – das habe ich nachgeprüft. Der Junge hat sich dort schon eine Strafe wegen Körperverletzung eingehandelt.«
»Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sie ihn abgeholt haben.« Reena sah aus dem Fenster auf die andere Straßenseite. Auf den Stufen des Hauses, in dem früher die Pastorellis gewohnt hatten, standen nun einige Blumentöpfe mit Geranien, und die Vorhänge waren geöffnet.
»Wen?«
»Beide. Ich erinnere mich daran, wie sie Mr Pastorelli in Handschellen herausbrachten und wie seine Frau ihr Gesicht in einem gelben Geschirrtuch vergrub. An einem ihrer Schuhe war der Schnürsenkel gelöst. Ich sehe auch noch vor mir, wie Joey schreiend hinter dem Wagen herlief. Mein Vater stand neben mir. Das gemeinsam zu beobachten
hat das Band zwischen uns verstärkt. Vielleicht hat er mich auch deshalb mit ihm gehen lassen, als sie Joey abgeholt haben. Nachdem dieser den armen Hund getötet hatte.«
»Er schloss für dich ein Kapitel ab, das begann, als der kleine Mistkerl dich angriff. Daran hat sich auch nichts geändert, aber deine Familie sollte trotzdem wissen, dass er wieder auf freiem Fuß ist.«
»Ich werde es ihnen sagen. Später, John, wenn wir alle zu Hause sind.«
»In Ordnung.«
Sie sah wieder aus dem Fenster und ihre Gesichtszüge entspannten sich. »Da ist Xander. Ich bin gleich wieder da.« Sie sprang auf und eilte zur Tür. Dann lief sie quer über die Straße und warf sich ihrem Bruder in die Arme.
Zu Hause zu sein war in vieler Hinsicht so, als wäre sie wieder ein Kind. Die Gerüche und Geräusche im Haus waren wie früher. Die
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