Tödliche Flammen: Roman (German Edition)
durch Deckenverkleidung, Pressspan und Gipskarton gefressen und dank des von den inoffiziellen Bewohnern hinterlassenen Mülls zusätzliche Nahrung gefunden.
Sie erkannte die Überreste eines alten Polstersessels und eines Metalltisches. Dank der glatten Oberfläche der Decke hatte sich das Feuer gleichmäßig ausgebreitet, sodass Rauch und Gase sich in alle Richtungen hatten verteilen können.
Außerdem hatten die Flammen den noch nicht identifizierten Mann das Leben gekostet, dessen Leiche nun zusammengekrümmt auf dem Boden lag, und zwar in einem begehbaren Wandschrank. Ein Mann kauerte neben der Leiche. Da er ziemlich lange Beine hatte, bereitete ihm das in der engen Kammer einige Schwierigkeiten.
Der Mann trug Handschuhe, Arbeitsstiefel, eine Wollmütze mit Ohrenklappen und einen rot karierten Schal, den er einige Male um Hals und Kinn geschlungen hatte.
»Hale, Branddezernat.« Der Atem stand Reena wie eine Dampfwolke vor dem Mund, als sie ebenfalls in die Hocke ging.
»Peterson, Gerichtsmedizin.«
»Was können Sie mir über ihn sagen?«
»Verbrannt.« Er lächelte verkniffen, was man allerdings nur an seinen Augen erkennen konnte. Reena schätzte den hochgewachsenen Schwarzen auf Anfang vierzig. Unter den Schichten warmer Winterkleidung verbarg sich offenbar eine durchtrainierte Figur. »Anscheinend dachte der arme Teufel, er könnte vor dem Feuer flüchten, indem er sich im Schrank versteckt. Vermutlich hat der Rauch ihn zuerst erwischt, dann kamen die Flammen. Mehr erfahren Sie, wenn ich ihn mir gründlicher angeschaut habe.«
Vorsichtig ging Reena weiter und überprüfte vor jedem Schritt den Boden auf seine Belastbarkeit.
Sie wusste, dass das schnelle Ersticken im Qualm eine Gnade war. Die Leiche war durch und durch verbrannt und lag, wie die meisten Brandleichen, mit nach oben gereckten Fäusten da. In der Hitze zogen sich die Muskeln zusammen, sodass die Toten aussahen, als hätten sie bis zuletzt versucht, das Feuer mit bloßen Händen abzuwehren.
Reena hob die Kamera und machte, nachdem Peterson ihr auffordernd zugenickt hatte, ein paar Fotos.
»Wie kommt es, dass er allein hier drin war?«, fragte sie. »Letzte Nacht war es bitterkalt draußen. Normalerweise suchen Obdachlose doch Schutz in Gebäuden wie diesem, und außerdem war das Haus bei Drogensüchtigen beliebt. In den vorläufigen Berichten stand, im zweiten Stock seien Decken, einige alte Stühle und sogar ein kleiner Kochherd gefunden worden.«
Peterson kauerte schweigend neben der Leiche.
»Keine sichtbaren Verletzungen?«
»Bis jetzt nicht. Vielleicht entdecke ich bei der Autopsie ja etwas. Meinen Sie, jemand hätte das Feuer gelegt, um einen Mord zu vertuschen?«
»Wäre nicht das erste Mal. Aber zuerst muss man einen Unfall ausschließen. Warum war er allein?«, wiederholte Reena. »Wie lange wird eine Identifizierung dauern?«
»Möglicherweise kann ich Fingerabdrücke sicherstellen. Dazu das Zahnschema. Ein paar Tage.«
Wie zuvor O’Donnell holte Reena ihren Notizblock heraus und fertigte als Ergänzung der Fotos einige Skizzen an. »Was glauben Sie? Männlich, etwa eins fünfundsiebzig?
Bis jetzt konnte niemand den Hausbesitzer erreichen. Das könnte ein interessanter Hinweis sein.«
Reena begann, den Raum in Quadrate einzuteilen, wie
Archäologen es bei einer Ausgrabungsstätte tun. Anschließend würde sie die einzelnen Schichten sieben, die Fundstücke dokumentieren und sie zu guter Letzt in kleinen Plastikbeuteln verstauen.
Das Brandmuster an der hinteren Wand wies eindeutig auf einen Brandbeschleuniger hin, eine Einschätzung, die auch der Ermittler von der Feuerwehr teilte. Reena nahm Proben, füllte sie in Behälter und beschriftete diese.
Die Glühbirne an der Decke war zum Teil geschmolzen. Reena machte noch ein Foto von der Decke und der vom Feuer hinterlassenen Spur.
Dann watete sie durch klatschnassen Schutt und Asche, um der Spur zu folgen. Vier Wohnungen, dachte sie, als sie versuchte, sich den Schnitt des Hauses vor dem Brand vorzustellen. Unbewohnt, heruntergekommen, wegen Baufälligkeit gesperrt.
Sie ließ die behandschuhten Finger über das verkohlte Holz und eine Wand entlanggleiten und nahm weitere Proben. Danach schloss sie die Augen und schnupperte.
»O’Donnell! Offenbar haben wir es mit mehreren Ursprungsorten zu tun. Es gibt Hinweise auf Brandbeschleuniger. In diesem alten Fußboden befinden sich genügend Ritzen und Spalten, in denen sich die Flüssigkeit sammeln konnte.«
Reena
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