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Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Titel: Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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mitschwang. Die Herren verabschiedeten sich.
    Zwei Männer breiteten einen Kunststoffsack auf dem Boden aus und sahen fragend zu Richter hinüber. Der Kollege von der Spurensicherung war offenbar fertig.  
    Richter betrachtete die Tote noch einmal. Sie war mager, hatte aber ein hübsches Gesicht. Ihre hohen Wangenknochen erinnerten ihn an Mariana, eine Kroatin, mit der er während der Ausbildung ein paar Mal ausgegangen war. Wenn Hartmann recht behielt und es einen Zusammenhang gab, hatte die Tote möglicherweise ebenfalls als Prostituierte gearbeitet.  
    Bislang hatte Richter nur mit einer einzigen Hure zu tun gehabt. Das war an seinem achtzehnten Geburtstag gewesen. Sein Vater hatte ihn spätabends mit dem verrosteten Kombi in ein Industriegebiet in Höchst gefahren. Hatte ihm fünfzig Mark in die Hand gedrückt und ihn wortlos neben einem blauen Golf mit roter Innenbeleuchtung abgesetzt. Die Frau war höchstens Mitte dreißig gewesen, doch damals war sie ihm unglaublich alt vorgekommen. Sie hatte den Geldschein genommen, seinen Penis massiert und sich dann auf ihn gesetzt. Beschämt und verwirrt hatte er zehn Minuten später wieder neben seinem Vater auf dem Beifahrersitz Platz genommen. In der Nacht wurde die Scham von einem Gefühl des Ekels abgelöst. Ekel vor sich selbst und Ekel vor der Frau. Er hatte fast eine halbe Stunde duschen müssen, bis er ihr billiges Parfum nicht mehr riechen konnte. Mit seinem Vater hatte er nie mehr über den Vorfall gesprochen.
    »Herr Kommissar?« Der Kollege riss Richter aus seinen Tagträumen. »Können wir sie mitnehmen?«
    Richter nickte. »Sie geht ins gerichtsmedizinische Institut.«
    Während er zum Wagen zurückkehrte, dachte er an seine Kollegin. Ausgerechnet Nora Winter. Wie konnte man bloß mit einer solchen Emanze auskommen?
     
    Die Kick-off-Sitzung der Ermittlungsgruppe Ukraine an diesem Vormittag verlief unspektakulär. Hartmann läutete eine Vorstellungsrunde ein, es gab ein Briefing, man organisierte die ersten Schritte und verteilte operative Aufgaben. Gideon Richter sollte am Morgen mit Anwohnern aus der Gegend rund um den Fundort sprechen und ins Institut für Rechtsmedizin fahren, sobald die Analyse des forensischen Gutachters vorlag.
    Nora Winter machte sich mit einem Foto der Toten auf den Weg in die Justizvollzugsanstalt Obere Kreuzäckerstraße, in der der rumänische Schlepper aus dem illegalen Laufhaus in Untersuchungshaft saß.
    Andere Mitglieder der Gruppe gingen Vermisstenmel-dungen durch, glichen Reifenspuren ab oder analysierten Fotos aus Radarfallen rund um das Waldstück.
    Kurz nach der Mittagspause ging die E-Mail vom Institut ein. Der zuständige Gerichtsmediziner erwarte Richter und den Staatsanwalt um fünfzehn Uhr dreißig zur Leichenöffnung. Man möge pünktlich sein, Dr. Chiazza habe um siebzehn Uhr den nächsten Termin bei Gericht.
    *
    Um kurz vor halb vier traf Richter in der Kennedyallee hundertvier ein. Hinter der schlossähnlichen Fassade der Jugendstilvilla mit Türmchen, Erkern und versetzten Balkonen vermutete man eher ein Diplomatendomizil oder den Palazzo eines Bankdirektors, aber kaum einen Sektionssaal, in dem menschliche Leichen nach allen Regeln der ärztlichen Kunst zerlegt wurden. Die gemütliche Sitzgruppe am Ende des mit dunklem Holz getäfelten Flurs, in die die Sekretärin den Kommissar verfrachtet hatte, bildete einen krassen Gegensatz zum stechenden Formalingeruch, der die Räume durchzog. Richter hatte gerade Platz genommen, als auch schon eine der Türen aufschwang und Dr. Chiazza auf ihn zueilte. Er war klein, stämmig und eine grauschwarze Mähne fiel lässig auf seine Schultern herab. Die braunen Schuhe sahen handgenäht und sehr teuer aus und stammten vermutlich aus Mailand, damit kannte Richter sich aus. Der Mann hätte wie eine Mischung aus italienischem Schnulzensänger und Fernseharzt ausgesehen, wäre da nicht die transparente Plastiktüte in seiner Hand gewesen. Durch die blutverschmierte Folie sah man vage Fleischbrocken und weiß schimmernde Knochenstücke.
    Chiazza bat ihn in sein Büro. Dort öffnete er den Kühlschrank neben seinem Schreibtisch, legte das blutige Paket hinein und holte eine Blechdose heraus. Er löffelte Kaffeepulver in eine altertümlich wirkende Espressomaschine, dann bemerkte er Richters fragenden Blick.
    »Entschuldigen Sie, Commissario«, lachte er, »das waren Beinscheiben vom Kalb. Wir haben Gäste heute Abend, es gibt Kalbshaxe – Ossobuco. Und nach Meinung meiner Frau

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