Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung
hat nur genau ein einziger Metzger in der Stadt das geeignete Fleisch dafür.«
Richter stimmte erleichtert in Chiazzas Lachen ein.
»Kochen Sie gerne, Commissario?«
Richter bedauerte. Als Single fehle ihm dazu gleichermaßen Lust wie Zeit.
Ihr Small Talk wurde von Richters Handy unterbrochen. Dr. Keitel kündigte eine leichte Verspätung an. Sie sollten ohne ihn anfangen. Chiazza stürzte seinen Espresso hinunter, nachdem er wundersamerweise vier Löffel Zucker in der Tasse untergebracht hatte, und zwinkerte dem Kommissar zu. Dann packte er ihn am Ärmel und zog ihn aus dem Büro.
»Kommen Sie. Ich werde es am Objekt erklären.«
Richter folgte dem Gerichtsmediziner mit einem unguten Gefühl. Er hatte gehofft, sie würden die Ergebnisse im si cheren Hort von Chiazzas Büro besprechen. Allem Anschein nach musste er dem Mädchen nun doch noch einmal in die toten Augen blicken.
Der große Sektionssaal im Untergeschoss war ein vierzig Quadratmeter großer Raum und vom Boden bis zur Decke weiß und grau gekachelt. An den Wänden befanden sich umlaufende, mit allerhand Geräten bestückte Arbeitsflächen. Das Herzstück des Raumes bildeten die beiden Sektionstische aus Edelstahl, deren Liegeflächen, ähnlich einer bodentiefen Dusche, abschüssig auf einen zentralen Abfluss zuliefen. Richter wollte sich lieber nicht vorstellen, welche Flüssigkeiten durch die Abflussrohre verschwanden. Es war kühl, die Lüftung ratterte vernehmlich.
Der Raum war von einem metallischen Geruch erfüllt, dessen Ursprung Richter nicht ausmachen konnte. Auf dem Tisch zur Linken zeichneten sich unter einem weißen Tuch die Umrisse eines menschlichen Körpers ab.
Chiazza schob einen Rollcontainer neben den Tisch und breitete seine Unterlagen darauf aus. Er fischte aus seinem Kittel ein fusseliges Mentholbonbon und drückte es Richter in die Hand. Seiner anderen Tasche entnahm er ein kleines schwarzes Diktiergerät und platzierte es auf den Akten. Chiazza legte die Fingerspitzen aneinander, schloss die Augen und verharrte in dieser Haltung wie in einem stummen Gebet.
Richter beobachtete ihn verwundert. Wurde hier ein dem Novizen unbekanntes Ritual abgehalten, das jede Sektion einleitete?
Die Tür flog auf und ein weiterer Arzt im weißen Kittel eilte in den Saal. Er stellte sich Richter als Dr. Breitenecker vor und nahm neben seinem italienischen Kollegen Aufstellung.
»Herr Collega«, begrüßte Chiazza ihn. Dann schlug er das Tuch zurück.
Der Oberkörper der jungen Frau hatte dieselbe kalkweiße Farbe wie die Wandfliesen, ihre schmalen Lippen waren blau. Zwei dünne Linien, die an den Schlüsselbeinen begannen und auf die Körpermitte zuliefen, verloren sich unter dem Tuch. Richter schob rasch das Bonbon in den Mund, bevor die Übelkeit ihn übermannte.
»Die junge Frau ist etwa Mitte zwanzig und kommt aus Osteuropa, vermutlich aus einem der GUS-Staaten. Man erkennt es an den Impfnarben und Zahnfüllungen.« Chiazza deutete auf eine Pockenimpfnarbe am Oberarm.
»Sie ist seit etwa achtundvierzig Stunden tot. Todesursache war die Unterbrechung der zerebralen Blutzufuhr, hervorgerufen durch die Kompression der Halsarterien. Das führte zu Sauerstoffmangel im Gehirn und mithin zum Tod. Die Hautquetschungen und Hämatome im Halsbereich deuten darauf hin, dass dem Opfer eine Schnur oder ein dünnes Kabel von hinten um den Hals gelegt wurde und dann die Enden überkreuzt und zugezogen wurden.« Der Pathologe wies Richter auf die blauvioletten Blutergüsse unweit des Kehlkopfes hin.
»Man kann tatsächlich feststellen, ob sich jemand aufgehängt hat oder erdrosselt wurde? Ich hätte gedacht, das ist im Prinzip das Gleiche.«
Chiazzas Augen blitzten – er war in seinem Element. »Ich kann Ihnen sogar sagen, ob derjenige, der den Strick zugezogen hat, Links- oder Rechtshänder ist. Es gibt viele kleine Unterschiede. Erwürgen mit bloßen Händen, erdrosseln mit einem Seil oder Kabel, ersticken mit einem Kissen, alle diese Tötungsarten haben unterschiedliche Auswirkungen. Sichtbare und unsichtbare.«
»Sie hat sich also nicht im Wald erhängt, sondern ist ermordet worden?«
Chiazza strich sich über das Kinn. »Nicht unbedingt. Mit dem passenden Mechanismus kann man sich auch selbst erdrosseln. Nicht, indem man den Strick in die Hände nimmt und beide Enden zuzieht, sondern wenn das Seil fixiert ist.«
»Also doch Selbstmord, aber nicht im Wald?«, fragte Richter, der langsam den Überblick verlor.
»Sie hat sich
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