Tödliche Geschäfte
durch den Vordereingang verschwunden war, wanderte Sterlings Blick wieder zu der Limousine. Er versuchte sich vorzustellen, was Tanaka als nächstes plante. Dabei fiel ihm auf einmal der Sushita-Jet ein.
Er nahm das Autotelefon und rief seinen Kontaktmann bei der Luftfahrtbehörde an. Der Mann bat ihn, einen Moment zu warten, und gab die Anfrage in seinen Computer ein. Kurz darauf war er wieder in der Leitung.
»Dein Vogel hat den Hühnerstall verlassen«, sagte er.
»Wann?« fragte Sterling. Das hatte er nicht hören wollen. Wenn das Flugzeug weg war, hatte Wayne vielleicht recht. Tanaka hatte jedenfalls bestimmt nicht vor, Sean nach Japan zu bringen, wenn ihm der Sushita-Jet gar nicht mehr zur Verfügung stand.
»Er ist vor kurzem abgeflogen«, sagte sein Kontaktmann.
»Fliegt er die Küste hoch nach Norden?« fragte Sterling.
»Nein«, sagte der Mann. »Er fliegt nach Naples in Florida, falls Ihnen das etwas sagt.«
»Das tut es«, erwiderte Sterling erleichtert.
»Von da geht es weiter nach Mexiko«, sagte der Kontaktmann. »Damit ist er Ihrer Gerichtsbarkeit bis auf weiteres entzogen.«
»Sie haben mir sehr geholfen«, sagte Sterling.
Er legte auf und war im nachhinein froh, angerufen zu haben. Jetzt war er sicher, daß niemand vorhatte, Sean Murphy zu töten. Statt dessen wollte man ihm einen Freiflug über den Pazifik anbieten.
»Ich kann keinen Zigarettenqualm riechen«, sagte Janet, während sie schnuppernd in dem geräumigen Zimmer umherging. Dann öffnete sie die Balkontür und trat auf die Terrasse. »Sean, komm mal hier raus!« rief sie. »Das ist fantastisch.«
Sean saß auf der Bettkante und studierte die Anweisungen zur Benutzung des Telefons. Er stand auf und folgte Janet auf die Terrasse.
Die Aussicht war atemberaubend. Eine Bucht in Form eines Krummschwerts mit einem breiten Strand erstreckte sich in einem breiten Bogen bis zur Insel Sanibel im Norden. Direkt unterhalb ihrer Terrasse wucherte das üppige Grün eines Mangrovensumpfes. Nach Süden verlief der Strand gerade, bis er schließlich hinter einer Reihe von Apartmenthochhäusern verschwand. Im Westen stand die Sonne tief hinter einem Schleier blutroter Wolken. Der Golf selbst war ruhig und dunkelgrün. Die bunten Segel der Surfer tupften kleine Farbkleckse auf die Wasseroberfläche.
»Laß uns unten am Strand schwimmen gehen«, schlug Janet mit leuchtenden Augen vor.
»Abgemacht«, sagte Sean. »Ich will nur noch kurz Brian und Mr. Betancourt anrufen.«
»Viel Glück«, rief Janet ihm zu. Sie war schon auf dem Weg nach drinnen, um sich umzuziehen.
Während Janet im Bad ihren Badeanzug anzog, wählte Sean Brians Nummer. Es war schon nach sechs, und er ging fast davon aus, daß sein Bruder zu Hause sein würde. Deshalb war er doppelt enttäuscht, als er wieder nur den verdammten Anrufbeantworter anspringen hörte und ein weiteres Mal Brians Botschaft über sich ergehen lassen mußte. Nach dem Piepton hinterließ Sean die Nummer des Ritz sowie ihre Zimmernummer und bat seinen Bruder anzurufen. Dann fügte er noch hinzu, daß es wichtig sei.
Als nächstes wählte er die Nummer von Malcolm Betancourt. Nach dem zweiten Klingeln nahm Mr. Betancourt persönlich ab.
Sean improvisierte drauflos. Er erklärte, er sei Medizinstudent aus Harvard, der ein Praktikum an der Forbes-Klinik absolvieren würde. Er sagte, er habe die Krankenakten der Patienten studiert, die mit so großem Erfolg an der Medulloblastom-Therapie teilgenommen hatten. Nachdem er nun schon Gelegenheit gehabt habe, Mr. Betancourts Akte zu lesen, hätte er gerne auch noch einmal persönlich mit ihm gesprochen, wenn sich das einrichten ließe.
»Nennen Sie mich Malcolm«, sagte Mr. Betancourt. »Von wo rufen Sie an, Miami?«
»Nein, ich bin in Naples«, erwiderte Sean. »Meine Freundin und ich sind übers Wochenende an die Golfküste gefahren.«
»Großartig. Dann sind Sie ja ganz in der Nähe. Und Sie sind also Harvardstudent. Nur zur Promotion oder schon seit dem Grundstudium?«
Sean erklärte, daß er sein jetziges Praktikum im Rahmen des naturwissenschaftlich-philosophischen Doktorandenprogramms leisten würde, jedoch auch sein Grundstudium in Harvard absolviert hätte.
»Ich bin selbst auch Harvardianer«, sagte Malcolm. »Jahrgang 1950. Ich wette, das klingt für Sie wie aus dem vorigen Jahrhundert. Waren Sie in einem der Uni-Teams?«
Sean war ein wenig überrascht von der Wendung des Gesprächs, aber er beschloß mitzuspielen und erzählte Malcolm,
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