Tödliche Geschäfte
kräftig, mit pechschwarzem, kurzgeschnittenem Haar und sonnengebräunter Haut. Er trug einen dunklen, leicht glänzenden Anzug mit einem weißen Hemd und einer dunklen Krawatte. Über seinem Arm hing ein Burberry-Mantel.
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte Tanaka. Er hatte einen kaum wahrnehmbaren Akzent. Er verbeugte sich und zückte eine Visitenkarte. Darauf stand schlicht: Tanaka Yagamuchi, Industrieberater.
Eine Hand an die Kehle gedrückt, mit der anderen die Visitenkarte umklammernd, wußte Anne Murphy nicht, was sie sagen sollte.
»Ich muß mit Ihnen über Ihren Sohn Sean sprechen«, wiederholte Tanaka.
Als hätte sie einen Schlag bekommen, fand Anne ihre Stimme nur langsam wieder. »Was ist passiert? Hat er wieder irgendwelchen Ärger gemacht?«
»Nein«, sagte Tanaka. »Hat er denn früher schon mal Ärger gemacht?«
»Als Teenager«, sagte Anne. »Er war ein sehr eigensinniger Junge. Sehr lebhaft.«
»Amerikanische Kinder können äußerst schwierig sein«, meinte Tanaka. »In Japan lehrt man Kinder, ihre Eltern zu ehren.«
»Seans Vater konnte aber auch schwierig sein«, sagte Anne, überrascht von ihrer eigenen Offenheit. Sie war nervös und wußte nicht, ob sie den Mann hereinbitten sollte.
»Ich interessiere mich für die geschäftlichen Angelegenheiten Ihres Sohnes«, sagte Tanaka. »Ich weiß, daß er in Harvard als ausgezeichneter Student gilt, aber hat er auch irgend etwas zu tun mit Firmen, die biologische Produkte herstellen?«
»Er hat zusammen mit ein paar Freunden eine Firma namens Immunotherapy gegründet«, sagte Anne, erleichtert darüber, daß sich das Gespräch den positiveren Momenten der Vergangenheit ihres Sohnes zuwendete.
»Hat er noch immer mit Immunotherapy zu tun?« fragte Tanaka.
»Er spricht nur sehr selten mit mir darüber«, sagte Anne.
»Vielen herzlichen Dank«, sagte Tanaka mit einer weiteren Verbeugung. »Und einen schönen Tag noch.«
Anne beobachtete, wie der Mann sich umdrehte und die Treppen hinabstieg. Das abrupte Ende ihrer Unterhaltung hatte sie fast genauso überrascht wie der Besuch selbst. Sie trat in den Flur und hörte, wie zwei Stockwerke tiefer die Haustür ins Schloß fiel, bevor auch sie in die Wohnung zurückkehrte und die Tür hinter sich schloß und verriegelte.
Sie brauchte einen Moment, um sich nach dieser seltsamen Episode wieder zu fassen. Sie warf einen Blick auf Tanakas Karte und steckte sie in ihre Schürzentasche. Dann kehrte sie in die Küche zurück, wo sie fortfuhr, ihre Einkäufe in den Kühlschrank zu räumen. Sie überlegte, ob sie Brian anrufen sollte, entschied jedoch, daß sie ihm auch noch heute abend vom Besuch des Japaners erzählen konnte. Vorausgesetzt natürlich, daß Brian kam. Sie beschloß ihn anzurufen, wenn er nicht kam.
Eine Stunde später war sie gerade mit dem Backen eines Kuchens beschäftigt, als es erneut klingelte. Zunächst sorgte sie sich, der Japaner könne zurückgekommen sein, um ihr weitere Fragen zu stellen. Vielleicht hätte sie doch Brian anrufen sollen. Ängstlich drückte sie auf den Knopf der Gegensprechanlage und fragte, wer da sei.
»Sterling Rombauer«, antwortete eine tiefe männliche Stimme. »Spreche ich mit Anne Murphy?«
»Ja…«
»Ich würde mich sehr gerne mit Ihnen über Ihren Sohn Sean Murphy unterhalten«, sagte Rombauer.
Anne hielt den Atem an. Sie konnte nicht glauben, daß schon wieder ein Fremder aufgetaucht war, um sie nach ihrem Zweitgeborenen zu befragen.
»Was ist mit ihm?« fragte sie.
»Ich würde lieber mit Ihnen persönlich reden«, erwiderte Rombauer.
»Ich komme nach unten«, sagte Anne.
Sie wusch das Mehl von ihren Händen und stieg die Treppe hinab. Der Mann stand im Foyer, einen Kamelhaarmantel über den Arm geworfen. Wie der Japaner trug er einen Anzug und ein weißes Hemd. Seine Krawatte war aus hellrotem Foulard.
»Tut mir leid, Sie zu stören«, sagte Sterling durch die Glastür.
»Warum fragen Sie nach meinem Sohn?« wollte Anne wissen.
»Ich bin im Auftrag des Forbes-Krebszentrums in Miami hier«, erklärte Rombauer.
Anne erkannte den Namen der Einrichtung, an der Sean zur Zeit arbeitete. Sie öffnete die Tür und musterte den Fremden. Er war ein gutaussehender Mann mit einem breiten Gesicht und einer geraden Nase. Er hatte hellbraunes, leicht gelocktes Haar. Anne dachte, daß er, bis auf den Namen, Ire sein könnte. Er war über einsachtzig groß und hatte Augen, die so blau waren wie die ihrer Söhne.
»Hat Sean irgend etwas angestellt, wovon
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