Tödliche Gier
hinter seinem Rücken. Offenbar war ihm nicht wohl dabei, ihn herauszugeben. Ich wartete, bis sein Gesicht auf einer Ebene mit meinem war, und versuchte ihm ein paar einfache Fragen zu stellen, nur um ihn in Stimmung zu bringen. Das nennt man das Vorspiel der Privatdetektive. »Wie läuft das ab? Jemand kommt her und bezahlt die Gebühr fürs nächste Jahr?«
»So in etwa. Man kann es auch per Post erledigen. Wir legen eine Nachricht in das Fach, wenn die jährliche Gebühr fällig wird.«
»Die Mieter bezahlen bar?«
»Oder mit einem persönlichen Scheck. So oder so.«
»Also sehen Sie denjenigen, der das Postfach gemietet hat, womöglich nie?«
»Die meisten von ihnen bekommen wir nie zu Gesicht. Es ist uns egal, wer sie sind, solange sie die Summe bezahlen, wenn sie fällig ist. Mir ist aufgefallen, dass sich manche Mieter schickes Briefpapier haben drucken lassen und so tun, als wäre das hier ihr Firmensitz und bestünde aus ganzen Bürofluchten. Es ist lächerlich, aber uns ist das offen gestanden gleichgültig.«
»Kann ich mir denken. Würden Sie das Formular durch den Schlitz schieben, damit ich es besser sehen kann? Es sind wirklich legale Ermittlungen. Ganz im Ernst.«
»Nee. Ich will nicht, dass Sie es anfassen. Sie dürfen es sich dreißig Sekunden lang anschauen, aber mehr kann ich nicht tun.«
»Toll.« In was für einer Welt leben wir eigentlich? Man besticht einen Typen mit zwanzig Dollar, und er hat immer noch Skrupel ?
Er hielt die Karte auf seiner Seite in die Höhe, schräg, damit ich sie sehen konnte. Er sah auf die Uhr und zählte die Sekunden. Tolle Sache. Natürlich wusste dieser Knabe nicht, dass ich als Kind mein größtes Talent bei einem Spiel bewiesen hatte, das auf Geburtstagspartys gespielt wurde und bei dem die Mutter des Geburtstagskindes eine Reihe von Dingen auf ein Tablett legte, das sie dann mit einem Geschirrtuch abdeckte. Sämtliche kleinen Gäste scharten sich um sie. Dann hob Mrs. Mom das Geschirrtuch dreißig Sekunden lang an, und wir durften alle gucken und uns die Sachen einprägen. Ich gewann das Spiel jedes Mal, vor allem weil es immer dasselbe fade Zeug war. Eine Haarspange, ein Löffel, ein Q-Tipp, ein Wattebällchen. Ich nutzte meine dreißig Sekunden, um mir eventuelle neue oder unerwartete Gegenstände zu merken. Das einzig Traurige an diesem Wettbewerb war der Preis selbst, meist ein Plastikröhrchen mit Seifenblasenflüssigkeit und dem Blasring am Deckel.
Der Mietvertrag war absolut simpel, und ich entnahm ihm die wichtigen Daten in den ersten zwei Sekunden. Die Unterschrift unten auf der Seite schien die von Dow zu sein, aber die Angaben in den Zeilen darüber hatte nicht er geschrieben. Die Druckschrift stammte von Leila, die abgewinkelten Ts und kringeligen Is eingeschlossen. So, so, so.
»Eine Winzigkeit noch«, sagte ich. »Würden Sie bitte auf Ihren Finger spucken und damit über die Unterschrift fahren?«
»Warum?«
Der Kerl war schlimmer als ein Vierjähriger. »Weil ich wissen möchte, ob sie mit einem Füller oder einem Kopierer gemacht wurde.«
Stirnrunzelnd leckte er an seinem Zeigefinger und rieb über die Unterschrift. Die Tinte verschmierte nicht. »Hm«, sagte er.
»Wie heißen Sie?«
»Ed.«
»Tja, Ed. Ihre Unterstützung hat mir echt weitergeholfen. Vielen Dank dafür.«
Ich kehrte zum Auto zurück, blieb einen Moment lang sitzen und überlegte, was das bedeutete. Rückblickend musste ich den Schluss ziehen, dass Leila das Schreiben, in dem es um die Verlängerung der Postfachmiete und die Zahlung der Jahresgebühr ging, abgefangen hatte. Crystal hatte mir erzählt, dass die Auszüge der Mid-City Bank an das Postfach geleitet wurden. Höchstwahrscheinlich hatte Leila die Bank verständigt, vielleicht indem sie den Wunsch auf Briefpapier von Pacific Meadows getippt und Purcells Unterschrift gefälscht und darum gebeten hatte, dass die Kontoauszüge ans Postfach 505 geschickt würden. Ich ließ den Blick über die Ladenfront schweifen und musste daran denken, wie leicht sie bei Mail &c More Vorbeigehen konnte, wenn sie vom Internat nach Hause kam.
Ich ließ den Wagen an, fuhr aus der Parklücke und rollte zur Ausfahrt. Als ich an der Straße ankam, sah ich, dass die Zweigstelle Laguna Plaza der Mid-City Bank an der Ecke gegenüber lag. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich den Bankautomaten sehen, den sie benutzt hatte, um das Konto abzuräumen. Im Grunde brauchte sie nur die Servicekarte und die PIN-Nummer für das Konto, was
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