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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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viel Zuckerbrot. Nicht genug Peitsche.«
    »Was meint Leila dazu?«
    Er beäugte mich scharf. »Das tut nichts zur Sache. Sie ist eigensinnig und faul. Wenn man sie entscheiden ließe, würde sie nur herumliegen und fernsehen. Crystal hat sich zu sehr darum bemüht, ihre beste Freundin zu sein. So läuft das aber nicht. Jugendliche brauchen Eltern, keinen Kumpel.«
    Ich hielt den Mund. Crystal würde sie nicht mitfahren lassen, aber ich war nicht gekommen, um mich mit ihm zu streiten.
    Sein Tonfall wurde sarkastisch. »Möchten Sie mir eigentlich irgendwann erzählen, was Sie hierher führt?«
    »Sicher. Kann ich machen«, sagte ich. »Soweit ich weiß, ist Purcell vor etwa vier Monaten hierher gekommen, um mit Ihnen zu reden. Ich wüsste gern, weshalb.«
    »Er hatte das Gerücht gehört, dass Crystal eine Affäre hätte, und er dachte, ich sei der Betreffende. Jammerschade, dass ich kein Geständnis ablegen konnte. Es hätte mir eine gewisse Befriedigung verschafft, ihm das ins Gesicht zu schleudern.«
    »Aber Sie waren es nicht.«
    »Leider nein.«
    »Wie lang waren Sie mit ihr verheiratet?«
    »Sechs Jahre.«
    »Schlechte Jahre? Gute?«
    »Ich hielt sie für gut, aber man sagt ja immer, der Ehemann ist der Letzte, der davon erfährt.«
    »Ich habe gehört, Ihre Beziehung war turbulent.«
    Er hielt inne, lehnte sich an den Kotflügel und wischte sich die Hände ab. »Zwischen uns stimmte die Chemie. Stein und Feuerstein. Wenn wir aufeinander trafen, flogen die Funken. Was ist dagegen einzuwenden?«
    »Zwischen ihr und Purcell flogen keine Funken?«
    »Soll das ein Witz sein? Soweit ich gehört habe, stand er auf perverse Spielchen. Das muss der Schock ihres Lebens gewesen sein. Da heiratet sie diesen Typen, weil sie glaubt, er sei die Erfüllung all ihrer Träume. Und dann stellt sich heraus, dass er säuft wie ein Fisch und keinen hochkriegt, wenn sie keine hochhackigen Stiefel trägt und ihm den Hintern mit einer Peitsche versohlt. Da wundert es mich nicht, dass sie ihn betrogen hat. Ich hab ihr vielleicht mal ein paar gewischt, aber so Zeug hab ich nie getrieben.«
    »War sie Ihnen treu?«
    »Soweit ich weiß. In dem Punkt lasse ich mir keine Sperenzchen bieten.«
    »Wie kamen Sie mit Purcell aus?«
    »Wenn man in Betracht zieht, dass er sich meine Frau geschnappt hat, recht gut.«
    »Wissen Sie noch, wo Sie waren?«
    Er schmunzelte und schüttelte den Kopf. »An dem Abend, als er baden ging? Das habe ich bereits durchgekaut. Die Cops waren gestern hier.«
    »Was haben Sie ihnen erzählt?«
    »Das Gleiche, was ich Ihnen erzähle. Ich habe an dem Freitag gearbeitet, am Abend des zwölften. Ich hatte einen Job als Taxifahrer — das steht auch in den Firmenbüchern. Leila war mit ihrer Freundin Paulie hier und hat Videos geguckt. Crystal hat sie wie üblich am Sonntagmorgen abgeholt. Sie können sie selbst fragen, wenn Sie mir nicht glauben.«
    Ich musterte ihn einen Moment lang. »Was ist denn mit dem Ohrring passiert?«
    »Den habe ich wegen eines Vorstellungsgespräches vor ein paar Monaten rausgenommen. Ich wollte nicht, dass mich der Typ für einen Schwulen hält.«
    »Haben Sie den Job bekommen?«
    »Nein.«
    »Gehen Sie deshalb zurück nach Vegas, um Ihr Glück noch mal zu versuchen?«
    »Wissen Sie, was meine Theorie ist? Wenn’s schlecht läuft, denk an den letzten Ort, wo du glücklich warst, und geh dort wieder hin.«

    In einem Anfall von schlechtem Gewissen widmete ich den ganzen Freitag anderen Klienten. Es kam zwar nichts Aufregendes dabei heraus, aber zumindest konnte ich meine Rechnungen bezahlen.
    Der Gedenkgottesdienst für Dr. Dowan Purcell fand am Samstagnachmittag um zwei Uhr in der Presbyterianischen Kapelle in der West Gien Road in Montebello statt. Ich zog mein schwarzes Allzweckkleid und flache schwarze Schuhe an und fand mich um Viertel vor zwei dort ein. Die Kirche war eng und hatte hohe, steinerne Mauern, eine Balkendecke und fünfzig Bänke, die in zwei Abteilungen von je fünfundzwanzig unterteilt waren. Draußen herrschte feuchtes, graues Wetter, und die sechs Buntglasfenster, die scharlachrot und tiefblau gefärbt waren, dämpften den Lichteinfall zu einem matten Schein. Ich weiß nicht viel über den presbyterianischen Glauben, aber allein die Atmosphäre genügte schon, um mich von der Prädestinationslehre abzuschrecken.
    Obwohl nur geladene Trauergäste anwesend waren, war eine ziemlich große Gruppe zusammengekommen, die die Kapelle restlos füllte. Crystals Freunde saßen

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