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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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ist Dows Augenstern. Wenn Dow spät nach Hause kam, ging er als Erstes in Griffs Zimmer. Dann hat er sich neben ihm aufs Bett gelegt und ihm nur beim Atmen zugesehen. Manchmal ist er dort eingeschlafen. Er würde Griff nie freiwillig verlassen.«
    »Aha«, sagte ich.
    »Da ist auch noch etwas anderes. Dow schreibt an einem Buch. Das ist ein Projekt, mit dem er schon seit Jahren liebäugelt. Er hat so viele Veränderungen in der Medizin miterlebt, und er weiß wirklich wunderbare Geschichten zu erzählen. Das würde er nicht einfach aufgeben.«
    »Und wie steht’s mit Ihnen beiden? Verstehen Sie sich gut?«
    »Wir stehen uns sehr nahe. Ehrlich gesagt haben wir uns überlegt, ob wir noch ein Baby bekommen sollen, jetzt, wo Griffith zwei ist.«
    »Sie sind also überzeugt, dass etwas Schlimmes passiert ist.«
    »Etwas sehr Schlimmes. Ich komme nur nicht darauf, was. Wenn er verletzt oder entführt worden wäre, hätten wir mittlerweile mit Sicherheit etwas gehört.«
    »Was ist mit seinen Arbeitgebern? Was können Sie mir über die beiden sagen?«
    »Im Grunde weiß ich da nicht viel. Joel Glazer bin ich nur zweimal begegnet. Eine dieser Gelegenheiten war die Grundsteinlegung für den neuen Flügel von Pacific Meadows, und da hatten wir keine Zeit zu plaudern. Soweit ich weiß, haben er und Harvey Broadus ein Vermögen im Bauwesen gemacht, indem sie Seniorenwohnanlagen im Südwesten erschlossen haben. Außerdem gehören ihnen eine Kette von Wohnheimen und mehrere Pflegeheime überall in Kalifornien. Wir haben Harvey früher ab und zu bei gesellschaftlichen Anlässen gesehen, aber er steckt offenbar mitten in einer hässlichen Scheidung, daher hält er sich lieber im Hintergrund. Für meinen Geschmack ist er ein bisschen falsch, aber vielleicht kommt das nur mir so vor. Jedenfalls wusste Dow, nachdem er 1981 in den Ruhestand gegangen war, nichts mit sich anzufangen. Jeder weiß, was für ein hohes Ansehen er unter seinen Medizinerkollegen genießt. Die beiden haben ihn wegen Pacific Meadows angesprochen und ihn gebeten, die Verwaltungsaufgaben zu übernehmen.«
    »Und sie kommen miteinander zurecht?«
    »Soweit ich weiß schon. Ich meine, sie sehen sich ja kaum. Joel und Harvey scheinen mit Dow zufrieden zu sein, und so gehen sie ihren Weg und lassen ihn seinen gehen. Die Abrechnung besorgt eine Betriebsgesellschaft. Ich weiß, dass er anfangs Angst hatte, sie würden ihm bei der Leitung des Heims hineinreden, aber das war nicht der Fall.«
    »Wie lang gehört den beiden das Heim schon?«
    »Ich glaube, sie haben es 1980 gekauft. Es liegt drüben an der Dave Levine Street, direkt an der Ecke zur Nedra Lane. Sie sind sicher schon hundertmal daran vorbeigekommen. Es sieht aus wie Tara, nur ohne das Land — dicke, weiße Säulen vor dem Eingang.«
    »Ach, das. Ich sehe es jedes Mal rechter Hand liegen, wenn ich von dieser Seite in die Stadt fahre. An der Strecke muss es fünf oder sechs Pflegeheime geben.«
    »Das Personal spricht — bei allem Respekt — nur noch von der >Formaldehydstraße<. Dow wird wütend, wenn ich das nachplappere.«
    »Wie haben Sie sich kennen gelernt?«
    »Mom...«
    Crystal blickte durch die offene Tür ins große Zimmer. »Wir sind hier draußen.« Dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, ihre Miene wurde verärgert und zugleich fassungslos. »Ach du lieber Gott.«
    Ich folgte ihrem Blick.
    Leila kam die Treppe in schwarzen Satinpumps heruntergepoltert, die so hohe Absätze hatten, dass sie kaum aufrecht stehen konnte. Ab und zu kamen ihre Knöchel derart ins Wanken, als ginge sie zum ersten Mal mit Schlittschuhen aufs Eis. Unter ihrer schwarzen Lederjacke trug sie ein durchsichtiges Top aus Chiffon und Spitze zu einem engen, langen Wollrock. Mit ihren vierzehn Jahren befand sie sich noch in dieser fohlenhaften Entwicklungsphase: keine nennenswerten Brüste, schmale Hüften und lange, knochige Beine. Die Länge ihres Rocks hätte nicht weniger schmeichelhaft sein können. Sie sah aus wie der Pappzylinder aus einer aufgebrauchten Rolle Küchenkrepp. Überdies hatte sie etwas Seltsames mit ihrem Haar angestellt, das kurz geschnitten und weißblond gefärbt war und in sämtliche Himmelsrichtungen abstand. Einige Strähnen waren zu Dreadlocks gedreht worden, während der Rest so faserig war wie Zuckerwatte. Sie kam an die offene Tür, blieb dort stehen und starrte uns an.
    »Was soll denn das für ein Aufzug sein?«
    »Das ist kein >Aufzug<. Was stört dich denn daran?«
    »Du siehst lächerlich

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