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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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holte tief Luft und spürte den schwachen Salzgeschmack bis in den Rachen hinab.
    Die Wedel der Palmen neben dem Haus schlugen immer wieder gegen die vergrauende Hauswand und machten dabei leise Kratzgeräusche. Ich trat ans Ende der Terrasse und ließ den Blick über die Brandung schweifen. Der Strand war verlassen, während draußen auf See die weißen Lichter der Ölbohrplattformen glitzerten wie Diamanten auf schwarzem Samt. Das Wetter ließ drohende Gefahr erahnen. Ich setzte mich und verschränkte gegen die Kälte die Arme. Es dämmerte schon fast; ein allmähliches, konturloses Dunkelwerden, bei dem zwischen den dicken Wolken keine Farben sichtbar wurden. Weit draußen am Horizont konnte ich dort, wo die letzten Sonnenstrahlen auf die Wasseroberfläche fielen, silberne Flecken ausmachen. Ich hörte das entfernte Röhren eines Pendlerflugzeugs, das die Küste entlang näher kam. Durch die Terrassentüren gesehen, wirkte das Wohnzimmer sauber und gemütlich. Ich war dankbar für den Schutz, den der langärmlige Rollkragenpullover unter meinem Blazer bot. Beiläufig sah ich auf die Chardonnayflasche mit ihrem schicken schwarzsilbernen Etikett. Ich beugte mich weiter vor. Auf dem Preisschild stand »$ 65,00«, was mehr war, als ich diesen Monat für meine Telefon- und Stromrechnung zusammen bezahlt hatte.
    Zwei dekorative Lampen gingen an, und Crystal kam nach wie vor barfuß heraus, in der Hand ein Tablett mit Käse und Crackern, umgeben von Trauben und Apfelschnitzen. Sie hatte einen schweren Troyer angezogen, der ihr fast bis zu den Knien ging, was ihr sehr gut stand. Sie hatte hinter sich die Tür offen gelassen und sah zu mir her. »Sie sehen aus, als frören Sie. Ich bin das Meer gewöhnt, aber Ihnen ist sicher kalt. Soll ich die Außenheizung anwerfen? Es dauert nur einen Moment. Sie können so lange den Wein einschenken, wenn Sie möchten.«
    Ich tat, worum sie gebeten hatte, und sah ihr zu, wie sie sich neben eine wuchtige Propangasflasche setzte, an die ein Heizelement angeschlossen war. Ihre Finger- und Zehennägel waren im französischen Stil gestylt, so dass der Halbmond am unteren Ende des Nagels und der obere Rand weiß gefärbt waren. Es wirkte sehr natürlich, obwohl dieser Effekt sie vermutlich — genau wie die Haare — eine Stange Geld kostete und alle zwei Wochen aufgefrischt werden musste. Es war nicht schwer, sie sich beim Strippen vorzustellen. Sie drehte an einem Ventil und brachte das zischend ausströmende Gas mit einem elektrischen Zünder zum Brennen. Bald glühten die zuerst noch roten Heizspiralen fast weiß. Sie entzündete das zweite Heizelement und drehte es in unsere Richtung, so dass die Wärme in den Raum zwischen uns strömte. »Ist es so besser?«
    »Wesentlich.«
    »Gut. Wenn Sie etwas Wärmeres brauchen, sagen Sie es ruhig. Ich habe hier unten im Wandschrank massenhaft Pullis.«
    Schweigend tranken wir unseren Wein, während ich versuchte, einen Anfang für meine Fragen zu finden. »Es freut mich, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit mir zu sprechen.«
    Sie lächelte matt. »Ich habe mir schon ein Dutzend Male überlegt, selbst einen Detektiv zu engagieren, aber ich wollte der Polizei nicht in die Quere kommen. Ich vertraue ihren Leistungen voll und ganz. Fiona offenbar nicht.«
    »Es gefällt ihr, wenn sich jemand ausschließlich den Interessen der Familie widmet. Die Polizei hat noch andere Fälle, die ihrer unmittelbaren Aufmerksamkeit bedürfen.« Ich machte eine Pause. »Ich möchte gern klarstellen, dass alles, was Sie sagen, bei mir gut aufgehoben ist. Falls Sie sachdienliche Angaben machen, berichte ich ihr natürlich davon, aber sonst sage ich nichts weiter. Sie können so offen sprechen, wie Sie wollen.«
    »Danke. Das hatte ich mich schon gefragt.«
    »Ich nehme an, dass Sie nicht die dicksten Freundinnen sind.«
    »Wohl kaum. Fiona hat alles getan, was in ihrer Macht steht, um mir das Leben zur Hölle zu machen.« Ihr Gesicht war eckig, der Mund breit. Sie hatte graue Augen, blasse Brauen und dichte schwarze Wimpern. Von Wimperntusche abgesehen schien sie wenig oder gar kein Make-up zu tragen. Ich sah ihr an, dass sie sich die Augen und wahrscheinlich auch die Nase hatte operieren lassen. Ja, im Grunde war fast alles, was ich vor mir sah, von einem Trupp munterer Chirurgen Stück für Stück irgendwie verschönert oder verbessert worden. Crystal lächelte kurz. »Hören Sie. Ich weiß, dass sie alles dafür tut, um sich selbst als Opfer in der ganzen Sache

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