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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Beerdigungen wildfremder Menschen und erkundigte sich diskret bei den anderen Trauergästen nach dem Grund des Ablebens. Hauptanliegen seiner Frage war, von den ersten Anzeichen der tödlichen Krankheit zu erfahren — Sehstörungen, Schwindel, Atemnot — genau die Symptome, die er dann in der Woche darauf entwickelte. Er war nie zufrieden, bis er die wahre Geschichte erfahren hatte. »Magenbeschwerden«, erklärte er uns dann mit bedeutungsschwangerem Blick. »Wenn der gute Mann nur gleich bei den ersten Anzeichen kompetente Ärzte konsultiert hätte, könnte er womöglich heute noch leben. Das hat sein Bruder gesagt.«
    »Wir müssen alle an irgendetwas sterben«, erklärte Henry dann immer unerschütterlich.
    Das brachte William auf. »Jetzt sei doch nicht so pessimistisch. Ich rate ja nur zur Wachsamkeit. Auf die Botschaften des Körpers lauschen —«
    »Meiner sagt: Eines Tages stirbst du sowieso, also sieh’s ein, du alter Sack .«
    Heute Abend blickte Henry diskret auf Williams Zeitung. »Irgendjemand, den wir kennen?«
    William schüttelte den Kopf. »Ein paar junge Leute Anfang siebzig; nur einer davon mit Foto. Kann nicht viel später aufgenommen worden sein als 1952.« Er blinzelte auf die Seite. »Ich hoffe, wir haben nicht so schmierig ausgesehen, als wir jung waren.«
    »Du mit Sicherheit«, erwiderte Henry. Er trank einen Schluck Whiskey. »Wenn du als Erster stirbst, weiß ich schon genau, welches Bild ich der Zeitung für deinen Nachruf geben werde. Und zwar das aus dem Sommer, als wir Atlantic City unsicher gemacht haben, wo du in Knickerbockern drauf bist. Du trägst einen Mittelscheitel, und es hat den Anschein, als hättest du Lippenstift aufgetragen.«
    William beugte sich vor. »Er ist immer noch eifersüchtig, weil ich ihm Alice Vandermeer weggeschnappt habe. Sie konnte Jitterbug tanzen wie der Teufel und hatte Geld wie Heu.«
    »Sie hatte eine Geschwulst auf der Wange, die in Farbe und Größe mit einer Traube mithalten konnte«, konterte Henry. »Ich wusste nie, wo ich hinsehen sollte, also habe ich sie ihm angedreht.«
    William blätterte ein paar Seiten weiter zu den Kleinanzeigen, wo er Beschreibungen »zugelaufener« Hunde und Katzen mit den Beschreibungen der »entlaufenenen« verglich und häufig Entsprechungen fand. Während Henry und ich damit weitermachten, Klotildes Arztrechnungen zu lesen und abzulegen, unterhielt uns William damit, was derzeit alles zum Verkauf angeboten wurde. »He, hier ist etwas. Suchst du immer noch ein neues Büro? Dann hör dir das mal an: Sechsundvierzig Quadratmeter, frisch renoviert, in der Stadtmitte. Zweihundertfünfzig im Monat und ab sofort frei.«
    Ich unterbrach meine Beschäftigung und reckte den Kopf zu ihm hinüber. »Du machst wohl Witze. Lass mal sehen.«
    William reichte mir den Zeitungsteil und wies auf die Anzeige, die folgendermaßen lautete:

    ZU VERMIETEN:
    46 qm in frisch renoviertem viktorianischen Haus,
    Innenstadt Nähe Gerichtsgebäude;
    mit Badezimmer, separatem Eingang und eigener Veranda.
    $ 250,- im Monat.
    Rufen Sie nach 18 Uhr an
    und verlangen Sie Richard.

    Dann folgte die Telefonnummer.
    Ich las die Zeilen zweimal, doch sie schienen sich nicht zu verändern. »Ich wette, es ist ein Loch. In diesen Anzeigen färben sie doch immer schön.«
    »Ein Anruf kann nicht schaden.«
    »Glaubst du wirklich?«
    »Sicher.«
    »Und wenn es schon vermietet ist?«
    »Dann hat es dich auch nichts gekostet. Vielleicht hat der Typ noch andere Objekte.« William fasste in sein Uhrentäschchen und nahm eine Münze heraus, die er direkt vor mir auf den Tisch legte. »Na los.«
    Ich nahm Münze und Zeitung und durchquerte das Lokal. Das Münztelefon befand sich im Vorraum, der nur matt von einem Neonschild mit Budweiser-Werbung erleuchtet wurde. Ich wählte die Nummer und las die Anzeige noch einmal durch, während ich es viermal klingeln hörte. Schließlich wurde am anderen Ende abgenommen, und ich verlangte Richard.
    »Hier ist Richard.«
    Ich schätzte ihn auf Anfang dreißig, aber in Telefonstimmen täuscht man sich leicht. »Ich rufe wegen der Büroräume an, die Sie in der heutigen Zeitung inseriert haben. Ist das Büro noch zu haben?« Ich merkte, dass mein Tonfall eine leicht klagende Färbung angenommen hatte.
    »Schon, aber wir verlangen einen Mietvertrag für ein Jahr, die Miete für den ersten und letzten Monat im Voraus und eine Reinigungspauschale.«
    »Darf ich fragen, in welcher Straße es liegt?«
    »Floresta. Auf der anderen

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