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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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einem Kopf voller Haare, die so dicht und unerwartet sind, dass es komisch wirkt. Er ist ein Mann von enormer Energie, meist gedopt von Vitaminen, Kaffee, Nahrungsergänzungsmitteln und Ehrgeiz. So entspannt hatte ich ihn vermutlich noch nie gesehen.
    »Lonnie?« Er sah auf, lächelte und warf den Stift beiseite. »Kinsey. Komm doch rein. Ich habe mich schon gefragt, was du treibst. Ich habe dich seit Wochen nicht gesehen.«
    »Nicht viel. Ich wusste gar nicht, dass du hier bist. Es war so still, dass ich dachte, ich wäre allein. Musst du noch etwas aufarbeiten?«
    »Genau, aber das ist nur ein Vorwand. Marie ist verreist. Irgendeine Hinterntreter-Konferenz in San Diego. Offen gestanden bin ich lieber hier, als zu Hause zu sitzen. Nimm doch Platz«, sagte er. »Und was ist mit dir? Was führt dich an einem Samstagnachmittag ins Büro?«
    »Ich habe ein paar Aufzeichnungen abgetippt, solange ich alles noch frisch im Gedächtnis habe. Ach, he, bevor ich es vergesse. Vielleicht ruft ein Mann namens Richard Hevener an, um meine Referenz zu überprüfen.«
    »Worum geht es?«
    »Ich glaube, ich habe neue Büroräume gefunden, aber ich warte noch ab.« Ich schilderte ihm die Lage und beschrieb ihm das frisch renovierte Einfamilienhaus mit der Redwood-Veranda. »Es ist herrlich. Klein und ruhig, und die Lage ist ideal.«
    »Wenn er anruft, verspreche ich, dass ich ein Loblied auf dich singe. Ich verliere kein Wort über die klitzekleine Phase, die du im Gefängnis verbracht hast. Außerdem steht hier die Tür immer für dich offen, wenn es nicht klappt.«
    »Danke. Drück mir die Daumen.«
    »Kein Problem«, meinte er. »Ida Ruth hat mir erzählt, dass du wegen Dr. Purcells Verschwinden ermittelst.«
    »Wo hat sie denn das gehört? Ich habe den Auftrag doch gestern erst angenommen.«
    Lonnie schwenkte eine Hand durch die Luft. »Ida Ruth weiß alles, und darauf ist sie auch stolz. Sie hat sogar eine Freundin, die für ihn gearbeitet hat. Die derzeitigen Gerüchte besagen, dass er von zu Hause abgehauen ist. Es gibt Tage, da überlege ich mir das auch.«
    »Ach, bitte. Marie würde dir wie ein Spürhund hinterhersetzen und dich zur Strecke bringen.« Seine Frau war Kampfsport-Lehrerin — Expertin dafür, jeden Gegner mit ihren nackten Füßen Größe 37 außer Gefecht zu setzen.
    »Da hast du Recht. Das Problem beim Verschwinden ist natürlich, dass man es nicht einfach spontan tun kann. Nicht, wenn es einem ernst damit ist. Man muss es lange vorher planen, wenn man wirklich wegbleiben will.«
    »Sollte man meinen. Ich persönlich bin ja der Meinung, dass er tot ist, aber sein Pass und dreißigtausend Dollar sind etwa zur gleichen Zeit verschwunden.«
    »Dreißigtausend Dollar sind in sechs Wochen weg. Purcell ist es gewohnt, gut zu leben. Er dreht garantiert nicht jeden Penny um. In seinem Alter? Da müsste er ja verrückt sein.«
    »So habe ich zuerst auch reagiert. Aber andererseits — wenn er sich in einem Dritte-Welt-Land niederließe, könnte er ganz gut davon leben, und wenn ihm das Geld ausginge, könnte er vermutlich eine kleine Praxis aufmachen, ohne dass irgendwelche Fragen gestellt werden.«
    »Und warum nicht einfach bleiben, wo er ist?«
    »Ah. Ich habe ganz vergessen, dir von dem Schönheitsfehler zu erzählen, auf den ich heute gestoßen bin«, sagte ich und berichtete ihm von meinem Besuch in Pacific Meadows und dem Gespräch, das ich dort mit Merry geführt hatte, der Schutzheiligen des losen Mundwerks. »Ihr zufolge sind ihm die staatlichen Betrugsermittler dicht auf den Fersen. Eine halbe Million Dollar an falschen Forderungen. Schuldig oder unschuldig — vielleicht hat er sich aus dem Staub gemacht, als er gemerkt hat, dass sie ihm unbequem werden können.«
    Lonnie krümmte sich vor Ungeduld. »Jetzt aber mal halblang. Das ist ausgeschlossen. Die staatlichen Ermittler stecken doch einen Mann wie ihn nicht ins Gefängnis. Da müsste der Staatsanwalt ihm schon kriminelle Absicht nachweisen, und wie will er das machen? Mal davon abgesehen, dass die Vorschriften von Medicare jeden ehrlichen Menschen in den Wahnsinn treiben können. Du windest dich irgendwie heraus, berufst dich auf Irrtümer mit dem Abrechnungsschlüssel und auf unfähige Bürohilfen. Dann verurteilen sie dich vielleicht zu einer Strafe und machen ein paar Drohgebärden, aber jeder gute Anwalt könnte dich herauspauken. Mann, sogar ich könnte das aus dem Stand, und dabei habe ich keine Ahnung von der Materie. Als Erstes muss man mal

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