Tödliche Gier
hängte ihn an den Garderobenständer. Zu meiner Freude wirkte die Kanzlei verlassen, obwohl in den meisten Räumen Licht brannte. Die Putzkolonne, die jeden Samstagmorgen hier sauber machte, war bereits da gewesen. Die Papierkörbe waren geleert. Es duftete nach Allzweckreiniger, und auf dem rostroten Teppich konnte ich reihenweise frische Staubsaugerspuren erkennen. Die Stille war göttlich. Kurz malte ich mir mein neues Einpersonenbüro in der Floresta Street aus und fühlte mich schon jetzt im Konkurrenzkampf mit den anderen Mietinteressenten.
Ich holte die tragbare Smith-Corona heraus und stellte sie auf den Tisch. Dann setzte ich mich auf meinen Drehstuhl und zog die Akte heraus, die ich angelegt hatte. Ich sortierte die mittlerweile zusammengekommenen Notizen und fügte die Daten von den Karteikarten hinzu. Eine wichtige Rolle in meinen Überlegungen spielte Fionas Rückkehr am Dienstag. Ich sah sie bereits vor mir, die Arme verschränkt und vor Ungeduld mit einem Fuß wippend, während ich sie über den jüngsten Stand der Dinge informierte. Die Dollarzeichen würden ihr wie bunte Konfetti um den Kopf schwirren, und sie dächte: Fünfzig Dollar die Stunde für DAS? Meine Strategie bestand darin, die Frau zu überlisten, indem ich ihr einen tadellos aufgebauten, getippten Bericht vorlegte, der vermittelte, dass ich bedeutend mehr getan hatte, als nur herumzufahren und mit verschiedenen Leuten zu plaudern. Was mich jedoch bedrückte, war das lästige Bewusstsein der ablehnenden Haltung, die Fiona mir entgegenbringen würde. Sie missgönnte mir vermutlich jeden Cent, den ich ausgab. Selbst wenn sie ihre anfängliche Gereiztheit lediglich zu Manipulationszwecken eingesetzt hatte, fühlte ich den brennenden Peitschenhieb an meinem Hals. Ich versuchte mich nicht mit der Überlegung aufzuhalten, dass ich den Auftrag hätte ablehnen sollen, als noch Zeit dazu war.
Ich konzentrierte mich auf die anstehende Arbeit. Es kostete mich eine Stunde, einen ersten Entwurf zu verfassen. Ich tippte ihn und überarbeitete ihn dann noch zweimal. Ich hielt meine Formulierungen neutral und achtete darauf, keine Schlüsse aus dem zu ziehen, was ich bislang erfahren hatte. Außerdem ließ ich vieles von dem weg, was Crystal gesagt hatte. Ich wurde dafür bezahlt, dass ich Dow fand, nicht dafür, dass ich seine zweite Frau Fiona gegenüber bloßstellte. Als ich zu dem Schluss kam, dass das Dokument so geschliffen klang, wie es mir möglich war, tippte ich den neuen Entwurf. Dann holte ich den Taschenrechner heraus und zählte meine Stunden zusammen. Wie lange hatte ich mit Detective Odessa geredet? Ich klopfte mir mit dem Stift gegen die Schneidezähne. Im Grunde waren es höchstens zwanzig Minuten gewesen, doch ich rundete sie zu einer halben Stunde auf. Schließlich sollte Fiona ja nicht glauben, dass ich mich bei der Polizei nicht für sie eingesetzt hätte. Mal sehen. Ich hatte fast zwei Stunden bei Crystal verbracht. Dazu addierte ich eine weitere Stunde, um meinen morgendlichen Besuch in Pacific Meadows abzudecken. Ich überschlug die Zahlen. Bis jetzt hatte ich erst 175 der 1500 Dollar verdient, die sie mir vorgeschossen hatte, was hieß, dass ich ihr noch 1325 Dollar an Arbeitskraft schuldete. Bei diesem Tempo käme ich nie aus den roten Zahlen heraus. Na gut. Ich tippte die Rechnung und klemmte sie an das Original meines Berichts. Dann legte ich die Durchschläge in den Aktendeckel.
Ich stand auf, streckte mich und bekämpfte die Verspannungen im Nacken mit ein- oder zweimaligem Kopfrollen. Da ich voller Unruhe war, marschierte ich den Flur entlang und spähte dabei in die einzelnen Büroräume. Als ich an Lonnies Zimmer vorbeikam, stellte ich erstaunt fest, dass er da war. Er saß zurückgekippt auf seinem Drehstuhl, die Füße auf den Schreibtisch gestützt und eine Abschrift in der Hand. Offenbar holte er liegen gebliebene Arbeit nach, während im Büro Ruhe herrschte und die Telefone schwiegen. Statt des gewohnten Oberhemds mit Anzug trug er ein kariertes Flanellhemd und eine Jeans im Stonewashed-Look. Er war absolut konzentriert und sein ganzer Körper vollkommen regungslos. Ich sah ihm zu, wie er nach seinem Bleistift griff und einen Satz unterstrich — leises Kratzen in der Stille.
Lonnie sieht aus wie ein Boxer: Sein Körper ist kompakt und muskulös, seine Nase von Narben verdickt. Seine Haare sind dunkel und störrisch und wachsen in alle Richtungen. Ich habe schon Neugeborene gesehen, die ähnlich aussehen, mit
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