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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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die Jury zu Tode langweilen. Man stellt einen Haufen Tabellen und Diagramme auf und zitiert Statistiken, bis neun von zwölf eingeschlafen sind. Man zielt darauf ab, dass der alte Doc senil geworden oder ein schlechter Geschäftsmann ist.« Mit amüsiertem Schnauben hielt er inne. »Hast du von folgendem Fall gehört? Ein Typ oben in Fresno ist freigesprochen worden, weil die Jury zu dem Schluss gekommen ist, dass er zu dumm war, um eine Unterschlagung begangen zu haben. Sein eigener Anwalt hat ihn als solchen Vollidioten hingestellt, dass die Jury Mitleid bekam und den armen Blödmann vom Haken gelassen hat. Purcell ist nicht in Gefahr.«
    »Ja, aber hat er das gewusst? Und was ist mit der öffentlichen Schande?«
    »Heutzutage kümmert das doch keinen Menschen mehr.« Lonnie griff nach einem Stift und malte ein Kästchen auf seinen Block. »Du vergisst eines dabei. Wenn der Typ schlau ist... sagen wir mal, er hat die Krankenversicherung um eine halbe Million Dollar erleichtert, was eher eine vorsichtige Schätzung ist. Das ist alles, was sie bis jetzt wissen. Gehen wir mal von zwei Millionen Dollar aus, nur damit es das Risiko wert ist. Ein kluger Mann macht zwei oder drei Auslandsreisen. Sucht sich ein Land aus, von dem er weiß, dass er sich auf dessen Auslieferungsgesetze verlassen kann, falls die Ermittler ihn aufspüren. Er eröffnet ein Bankkonto und zahlt Geld ein, immer wieder, bis er so viel hat, wie er braucht. Dann kann er lustig weiter betrügen, bis ihm jemand auf die Spur kommt. Wenn die Situation brenzlig wird, nimmt er das erste Flugzeug außer Landes. In dem Fall sind die dreißigtausend Dollar lediglich sein Reisebudget.«
    Ich dachte an Fionas Geschichte, dass Dowan schon zweimal ohne Erklärung verschwunden war. »Gut kombiniert.« Außerdem dachte ich an die Buchhalterin, die entlassen worden war, und die Verwaltungsleiterin, die ihre Stelle aus Protest aufgegeben hatte. Vielleicht war das Dows Versuch gewesen, die Schuld jemand anders zuzuschieben. Das Telefon klingelte, und Lonnie nahm den Hörer ab. Aus seinen Bemerkungen schloss ich, dass sich Marie aus San Diego meldete. Ich winkte ihm zu und verlies leise sein Büro, damit er sein Gespräch ungestört beenden konnte.
    Ich kehrte in mein Zimmer zurück und las meinen Bericht noch einmal durch. Er schien in Ordnung zu sein, aber ich hielt es für besser, ihn noch einen Tag liegen zu lassen. Ich könnte ja noch Befragungen anhängen, wenn ich mir erst darüber klar geworden war, mit wem ich als Nächstes sprechen sollte. Ich machte mir eine Liste der Möglichkeiten, auf die ich gekommen war. Purcells Arbeitgeber waren unter den ersten fünf Namen, genau wie Dows bester Freund. Ich vergewisserte mich, dass ich die nötigen Telefonnummern hatte, und beschloss dann, dass ich genug getan hatte und es an der Zeit war, nach Hause zu gehen.

    Um zwei machte ich mir eine Tomatencremesuppe und ein klebriges gegrilltes Käsesandwich, das ich in den Teller tauchte und tropfend zum Mund führte. Das flüssige Rot der Suppe auf der knusprig goldenen Oberfläche des Brotes war das kulinarische Abbild eines frühen Kindheitstrosts. Tante Gin kredenzte mir diese Zusammenstellung zum ersten Mal, als ich fünf Jahre alt war und um meine Eltern trauerte, die im Mai zuvor bei einem Autounfall umgekommen waren. Das Tropfen von geschmolzenem Velveta-Käse ruft bei mir unweigerlich das merkwürdige Gefühl hervor, dass sich Kummer und Zufriedenheit auf meiner Zunge vermischen. Dieses Sandwich, muss ich gestehen, war der Höhepunkt meines Wochenendes. Darauf konzentriert sich das Leben nun einmal, wenn man wie eine Nonne lebt.
    Danach tat ich das, was jeder erfahrene Detektiv getan hätte: Ich trottete die sechs Schritte ins Wohnzimmer, streifte die Schuhe ab und ließ mich auf dem Sofa nieder, wo ich mich in eine dicke, weiche Steppdecke schmiegte und ein Buch zu lesen begann. Binnen Minuten wurde ich durch ein Wurmloch in eine fiktive Welt gesogen und reiste schneller als mit Wortgeschwindigkeit in ein Reich ohne Ton und ohne Schwerkraft.
    Das Telefon klingelte mit ärgerlich schrillem Klang. Ich war wie ein Stein in einen Fluss aus Träumen abgesunken, und die Notwendigkeit, nun daraus aufzutauchen, brachte mich aus dem Konzept. Ich streckte den Arm aus und griff nach dem Telefon, das auf dem Couchtisch hinter meinem Kopf stand. Mir war gar nicht so recht bewusst, dass ich eingeschlafen war, wenn man vom Sabbern absieht, was ich im Wachzustand normalerweise

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