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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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aus vollem Herzen zugestimmt. Und dann haben wir übers Wetter geredet. Es war ein herrlicher Abend. Kam einem vor wie im Frühling, und ich glaube, der Mond war fast voll. Er ging durch diese Tür, und danach habe ich ihn nie wieder gesehen.«
    »Können Sie sagen, in was für einer Stimmung er war? Wütend? Traurig?«
    Sie legte sich den Zeigefinger an die Wange und ließ es sich durch den Kopf gehen. Die Arthritis hatte den Daumen an dieser Hand verkrümmt, bis er einen schmerzhaft aussehenden Haken bildete, der senkrecht zu ihrer Hand abstand. »Zerstreut, würde ich sagen. Ich musste ihn zweimal fragen, ob er einen Ausflug für uns organisieren könnte. Das Essen hier ist gut. Ich möchte mich ja nicht beklagen, aber auswärts essen macht Spaß und hebt bei uns allen die Laune. Jede kleine Abwechslung ist ja so wichtig.«
    Eine Latina in OP-Kleidung erschien an der Tür. »Ich habe Ihr Essenstablett hier, Miss Curtsinger. Möchten Sie vor dem Fernseher essen, damit Sie Ihre Sendung sehen können? Sie beginnt in fünf Minuten, und Sie wollen doch nicht den Anfang verpassen. Das ist der beste Teil, haben Sie gesagt.« Sie ging zu Rubys Stuhl hinüber und stellte das Tablett auf einen kleinen Rolltisch, den sie nahe zu ihr hinschob. Sie nahm den Aludeckel ab und enthüllte das Rippenstück vom Grill mit all seinen Beilagen. Die Götterspeise war grün, und in ihren glühenden Tiefen leuchteten Spuren von Obstsalat.
    »Danke«, sagte Ruby und lächelte dann mich an. »Kommen Sie mich noch mal besuchen? Ich plaudere gern mit Ihnen.«
    »Ich werde tun, was ich kann. Wissen Sie was — nächstes Mal bringe ich Ihnen einen Hamburger Royal mit Käse mit.«
    »Und einen Big Mac. In diesen Werbespots im Fernsehen sehen die immer so gut aus.«
    »Das sind sie tatsächlich, glauben Sie mir. Davon bringe ich Ihnen auch einen mit.«
    Ich ging den Flur hinunter bis zum Personal-Aufenthaltsraum, steckte den Kopf hinein und sagte: »Ich suche Charles.«
    Der Mann, den ich mit der Abendzeitung am Tisch sitzen sah, war Mitte fünfzig und trug OP-Kluft wie die Frau, die die Tabletts verteilte. Seine Haut war von einem weichen Nussbraun, seine Schultern schmal und die Arme unbehaart und mager. Er legte die Zeitung beiseite und stand höflich auf, um sich vorzustellen. »Charles Biedler«, sagte er. »Womit kann ich Ihnen helfen?«
    Ich erklärte, wer ich war und was ich wollte und wiederholte kurz in groben Zügen, was mir Ruby Curtsinger soeben anvertraut hatte. »Ich weiß, dass Sie diese Fragen schon einmal beantwortet haben, aber es würde mir wirklich weiterhelfen, wenn Sie mir sagen würden, woran Sie sich erinnern.«
    »Ich könnte Ihnen zeigen, wo er geparkt hatte und wo ich an diesem Abend stand.«
    »Das wäre prima«, sagte ich. Er nahm einen zusammengefalteten Zeitungsteil und nahm ihn mit, als wir auf den Eingang zusteuerten. Ich blieb kurz stehen, um mir Schirm und Regenmantel zu schnappen, und hielt mir dann den Mantel über den Kopf wie ein gelbes Plastikzelt. Charles benutzte seine Zeitung als Regenschutz, und so eilten wir hinaus, gebückt im Regen, der in Böen gegen uns prasselte. Charles blieb am Ende des Gehwegs stehen und wies auf die Autos. »Sehen Sie den kleinen blauen VW? Genau dort hatte der Doktor seinen Platz. Ich habe gesehen, wie er über den Asphalt ging, und dann ist er ins Auto gestiegen und hier vorbei davongefahren.«
    »Sie haben niemand sonst gesehen?«
    »Nein, aber diese Ecke des Parkplatzes ist um neun Uhr natürlich dunkler als jetzt. Es war ein warmer Abend. Ich war in Hemdsärmeln wie heute, nur ohne die Gänsehaut. Ich habe mit ihm geredet wie immer, wissen Sie, ihm eine Bemerkung zugerufen, und er hat etwas erwidert, ein paar Scherze eben.«
    »Und es war nichts Ungewöhnliches dabei?«
    »Soweit ich mich erinnere, nicht.«
    »Ich versuche, die Szene so zu sehen wie Sie. Ruby hat gesagt, er hatte seine Anzugjacke über dem Arm. Hatte er sonst noch etwas dabei?«
    »Ich glaube nicht. Falls doch, so kann ich mich nicht erinnern.«
    »Wie steht’s mit seinen Autoschlüsseln?«
    »Die muss er wohl in der Hand gehabt haben. Ich kann mich nicht erinnern, dass er in die Hosentasche gefasst hätte.«
    »Er hat also das Auto aufgesperrt und was dann?«
    »Danach kann ich mich an nichts weiter erinnern.«
    »Ging die Innenbeleuchtung an?«
    »Möglich. Nachdem er eingestiegen war, blieb er eine Weile sitzen, und dann ließ er den Motor an und wendete, damit er vorne hinausfahren

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