Toedliche Intrige
Zimmer geweckt, das ihn mit gelben Augen anstarrte. Seine Kumpane hatten es nachts bei der Angelhütte eingefangen und in sein Zimmer geschafft. Bei Tómas Ottósson musste immer etwas los sein, je verrückter es zuging, desto besser.
Bettý war nur selten mit von der Partie. Sie hatte kein Interesse an seinen Jagdausflügen und Angeltouren und blieb ihnen meist fern. Aber manchmal machten sie zu zweit etwas weniger wilde Touren. Tómas hatte ihr beigebracht, mit einem Gewehr umzugehen. Er besaß diverse Schusswaffen, Gewehre, Schrotflinten und außerdem Revolver. Das kostbarste Stück in seiner Waffensammlung war eine französische Armbrust. Bettý war eine gelehrige Schülerin und kannte sich mit einigen Dingen aus, von denen ich nicht die geringste Ahnung hatte. Sie war imstande, die Waffentypen zu unterscheiden, Kaliber, Munition, und sie wusste sogar über Pfeilspitzen Bescheid. Außerdem besaß Tómas Jagdmesser in allen möglichen Ausführungen und Größen. Bettý zeigte mir einmal, als Tómas im Ausland war, die Waffenkollektion in seinem Büroin Akureyri; sie erklärte mir die Waffen und zu welchem Zweck sie jeweils am besten geeignet waren. »Das hier benutzt er, um Rentieren den Bauch aufzuschneiden«, erklärte sie und holte ein Riesenmesser aus dem Schrank.
Sie deutete auf ein anderes Messer, das nicht viel kleiner war und einen großen silberbeschlagenen Knauf am Ende des Schafts hatte.
»Das hier ist sein Lieblingsmesser für Lachs«, sagte sie. »Der Knauf wirkt wie ein Totschläger, ein unglaublich schweres Ding, hier, heb mal. Tozzi kann mit einem Hieb dem Lachs beide Augen ausschlagen. Ich habe gesehen, wie er es gemacht hat.«
Ich fasste nach dem silberbeschlagenen Knauf. Ich habe nie einen Lachs geangelt. Ich habe nie ein Tier getötet. Ich spürte das Gewicht.
»Damit könnte man ja einen Bullen erschlagen«, sagte ich.
Bettý lächelte.
»Hat er für all diese Waffen Lizenzen?«, fragte ich.
»Nein«, erwiderte Bettý. »Auf den Trawlern schmuggeln sie so einiges für ihn ins Land. Waffen sind eine Leidenschaft von ihm. Die Sammlung daheim bei uns im Keller ist noch viel größer. Er hat sich ein ganzes Zimmer damit eingerichtet, und niemand außer ihm hat einen Schlüssel dazu.«
Sie nahm mir den Totschläger ab und wog ihn in der Hand.
»Hast du die Nachrichten gesehen?«, fragte sie.
»Nachrichten?«, fragte ich und hatte keine Ahnung, wovon sie redete. »Was für Nachrichten? Über die Firma?«
»Die Firma!«, sagte Bettý mit einem abschätzigen Lachen. »Nein, über diese Leute, die vermisst waren. Das war jetzt am Wochenende. Hast du das nicht mitbekommen?«
»Die Leute, die vermisst waren?«
Sie schaute mich mitleidig an und erzählte mir dann die Geschichte. Ich kapierte ziemlich schnell, worauf sie hinauswollte. Die Sache hatte großes Aufsehen erregt und einmal mehr die Diskussion über diese leichtsinnigen Leute aufleben lassen, die schlecht ausgerüstet und in völliger Unkenntnis der Verhältnisse ins unbewohnte Hochland aufbrachen, mit dem Ergebnis, dass Rettungsmannschaften eingesetzt werden mussten, wenn sie in eine gefährliche Situation gerieten und sich eine Katastrophe anbahnte.
Drei Männer waren auf Jagd gegangen. Sie stammten aus Reykjavik, waren aber von Akureyri aus losgefahren, nachdem sie am Abend vorher dort ordentlich einen draufgemacht hatten. Es war Ende November, und das Wetter war völlig unberechenbar. In der Wettervorhersage war von starken Niederschlägen im Norden mit strichweise stürmischen Winden die Rede gewesen. Im Nordosten sollte es sogar zu einem ausgewachsenen Schneesturm kommen, und die Bevölkerung war gebeten worden, nicht ohne zwingende Gründe das Haus zu verlassen.
Die Jagdkumpane fanden, dass ihnen da, wo sie hinwollten, nichts passieren konnte, aber nach der durchzechten Nacht in Akureyri waren sie wohl kaum in der Lage, die Situation richtig einzuschätzen. Bettý erzählte mir, und ich weiß nicht, woher sie diese Informationen hatte, dass einer noch total betrunken gewesen sei, als sie von Akureyri aufbrachen und auf der Ringstraße eins über Vikurskarð in östliche Richtung fuhren. Kurz nach Mittag waren sie im Jagdgebiet eingetroffen, und das Wetter hatte sich schon erheblich verschlechtert, als sie den Jeep verließen und zu Fuß mit ihren Schrotflinten losmarschierten. Der Himmel verdunkelte sich immer mehr, denn das heftige Schneetreiben, das für Nordostisland angesagt worden war, hatte sich weiter nach Westen
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