Toedliche Intrige
er.
Ich überlegte.
»Ist sie nicht in Reykjavik?« Er grinste.
»Als wir uns kennen lernten, war Bettý eine völlig unbedeutende Person. Mir ist noch nie so eine Frau begegnet. Es gibt keine Grenzen dafür, was sie sich einfallen lassen kann. Sie hat überhaupt keine Ausbildung, sie hat bei uns in der Telefonzentrale gearbeitet, als ich sie kennen lernte. Weißt du, wo sie heute Abend ist?«
Tómas war betrunkener, als ich dachte. Ich konntemir keinen Reim auf seine Worte machen, wovon er redete.
»Nein, ich habe keine Ahnung, wo sie ist«, sagte ich und nippte an dem Likör.
»Sie ist bei einem Galadinner in Perlan, zusammen mit dem Premierminister und anderen Kabinettsmitgliedern, mit bekannten Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft und dazu dem dänischen Premierminister und seinem Gefolge. Ich hatte keine Lust.«
Er schaute mich an und grinste.
»Findest du das nicht fantastisch? Findest du es nicht fantastisch, in einem Land zu leben, wo Geld einem sämtliche Türen öffnet?«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Tómas leerte sein Glas und füllte es wieder halb mit Whiskey auf.
»Bettý liebt dieses Leben über alles«, sagte er, indem er die Flasche zur Seite stellte. »Weil sie völlig unbedeutend ist, und das weiß sie. Trotzdem sitzt sie jetzt am gleichen Tisch mit dem Premierminister dieser Nation. Er müsste eigentlich wissen, wie sie ist. Was sie über diese ganze Truppe denkt. Dieses versnobte Pack, das sich zu solchen Gelegenheiten wie Pinguine mit Fräcken und Abendkleidern ausstaffiert und sich für bedeutender hält als andere Leute.«
Am liebsten hätte ich ihm gesagt, wie sehr er sich da täuschte, wenn er glaubte, dass Bettý völlig unbedeutend sei. Dass er selber vor ein paar Jahren auch noch keine bedeutende Figur gewesen sei. Aber ich schwieg. Ich erwähnte auch die Verletzungen, die er ihr manchmalzufügte, mit keinem Wort. Vielleicht hätte ich nicht den Mund halten sollen. Vielleicht wäre dann alles anders gelaufen.
»Was weißt du über Bettý?«, fragte er auf einmal.
Ich ging sofort in die Defensive. Er hatte nie zuvor solche Dinge thematisiert, und ich wusste nicht, worauf er abzielte. Am liebsten hätte ich mich verabschiedet und aus dem Staub gemacht. Der Alkohol stieg ihm immer mehr zu Kopf. Ich habe noch nie so richtig gewusst, wie ich mit Betrunkenen umgehen soll.
»Ich? Nicht viel. Ich ...«
»Wir bekommen wohl kein Kind«, sagte Tómas.
Ein trauriger Ton schwang in seiner Stimme mit. Ich wusste nicht, ob er damit meinte, dass sie keine Kinder in die Welt setzen würden, so als hätten sie gemeinsam den Beschluss gefasst, kinderlos zu bleiben, oder ob es bei ihnen nicht klappte.
Nachdem er das gesagt hatte, herrschte eine lange Zeit Schweigen, bis ich mich räusperte. Ich wollte etwas Tröstendes von mir geben.
»Kommt doch gar nicht so selten vor, und selbstverständlich gibt es Mittel und Wege ...«
Er unterbrach mich wieder.
»Ich habe jetzt dieses Alter erreicht, wo ich mir nichts sehnlicher wünsche, als Kinder zu haben. Jemanden, der das alles weiterführt. Egal, ob Junge oder Mädchen. Ich will, dass ...«
Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
»Aber im Übrigen spielt dieses Unternehmen überhauptkeine Rolle. Ich habe es bloß zu spät kapiert. Nur Kinder spielen eine Rolle. Es ist wichtig, Kinder zu bekommen. Das ist mir endlich klar geworden.«
Ich schwieg. Mir fiel nichts ein, was ich darauf hätte antworten können. Ich wusste nicht, weswegen er mich zu sich nach Hause bestellt hatte, um mir in betrunkenem Zustand zu verkünden, wie er mit zunehmendem Alter herausgefunden hatte, dass Geld nicht alles bedeutet. Der Mann, der seine Frau verprügelte.
Er blickte hoch und leerte ein weiteres Glas, während er mir in die Augen sah.
»Ich glaube, dass Bettý mich betrügt«, sagte er.
Ich schrie innerlich auf. Da kam die Erklärung, jetzt wusste ich, was dieses abendliche Treffen zu bedeuten hatte. Tómas hatte die Wahrheit herausgefunden. Er wusste über Bettý und mich Bescheid. Wir hatten uns nicht genug in Acht genommen. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Es konnte nur einen Grund dafür geben, dass er mir das sagte, denn wir hatten absolut kein vertrautes Verhältnis zueinander. Nie zuvor hatte er mit mir über seine Privatangelegenheiten gesprochen. Es ging bestimmt darum, mir zu sagen, dass er alles wusste. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Ich stand regungslos vor ihm und wartete darauf, dass der Himmel
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