Toedliche Intrige
seinem Büro getroffen, entweder in Akureyri oder in Reykjavik, oder zum Lunch in einem Restaurant, falls es um geringfügige Dinge ging. Er hatte mich nie zu sich nach Hause eingeladen. Das hatte immer nur Bettý getan.
Tómas Ottósson wusste nichts von Bettý und mir. Es hatte manchmal nicht viel gefehlt, dass alles aufgeflogen wäre, aber irgendwie ging nie etwas schief, weil wir trotz allem so vorsichtig wie nur irgend möglich waren. Ich war jedoch auf alles gefasst, als ich zu dieser Besprechung ging, vor allem, als er anfing, über seine Frau zusprechen. Es überraschte mich ein wenig. Bislang hatten wir auf unseren Besprechungen so gut wie nie über private Dinge geredet, sondern mehr oder weniger ausschließlich über anliegende juristische Probleme, die einer Lösung bedurften.
Ich glaube, dass er zufrieden mit mir war. Meines Wissens bereute er es nicht, mir diese horrenden Honorare zu zahlen, die es mir ermöglicht hatten, eine größere Wohnung in Reykjavik zu kaufen und ein viel, viel besseres Auto, als ich je zuvor besessen habe. Meine Dankbarkeit bestand darin, mit seiner Frau zu schlafen. Hatte ich deswegen ein schlechtes Gewissen? O ja. Würde ich mich deswegen zurückziehen? Nie im Leben. Weshalb nicht? Weil es so viel mehr war als nur Sex. Weil Bettý und ich eins waren. Ich weiß, dass Bettý mich liebte. Ich weiß es. Sie liebte mich. Da war nichts Unschönes dabei. Nichts Kriminelles. Es war Liebe. Am liebsten hätte ich ihm das auch offen gesagt. Ihm alles gesagt. Ich hatte es Bettý gegenüber erwähnt, aber sie schaute mich nur mitleidig an und schüttelte den Kopf. Ich wusste, es gab nicht die geringste Möglichkeit, mit ihrem Mann darüber zu sprechen.
Ich war auf der Hut wie immer, wenn ich es direkt mit Tómas Ottósson zu tun hatte. Bei all unseren Besprechungen wartete ich auf die Frage: Schläfst du mit Bettý? Ich war fest davon überzeugt, dass irgendjemand bestimmt einmal gesehen hatte, wie wir uns küssten. Dass das Geheimnis kein Geheimnis mehr war. Ich hatte darüber nachgedacht, wie ich darauf antwortensollte. Was ich darauf antworten konnte. Mir fiel nie etwas anderes ein als ein schlichtes Ja. Wie gesagt, manchmal sehnte ich mich sogar danach, ihm das zu sagen. Das Geheimnis unserer Beziehung zu lüften und all diese Lügen, das Versteckspiel los zu sein.
Tómas war nicht nüchtern, als ich eintraf. Er war zwar noch nicht richtig betrunken, aber auch nicht weit davon entfernt. Er bot mir einen Drink an und servierte mir einen Drambuie auf Eis. Er hatte mir nicht gesagt, um was es ging. Bettý hatte mir ausgerichtet, dass er mich treffen wollte. Ich war in Akureyri und wollte am nächsten Tag nach Reykjavik fliegen. Ich ging davon aus, dass es sich um geschäftliche Dinge drehte, aber bald sollte sich etwas anderes herausstellen.
Er war anders als sonst. Meist war ich für ihn gar nicht existent, es sei denn in meiner Eigenschaft als Rechtsbeistand. Er hatte mich nie danach gefragt, wie es mir ging oder was ich beispielsweise für Musik hörte, wo ich in der Politik stünde oder welche Meinung ich zu diesen und jenen Dingen hatte. Deswegen war ich äußerst überrascht, als er mich urplötzlich fragte, wie es mir ginge.
»Gut«, sagte ich. »Mit geht es gut.«
»Bezahle ich dir genug für deine Arbeit?«, fragte er.
»Das finde ich schon«, sagte ich, »aber das kannst du natürlich selber am besten beurteilen.«
Sprach er über die Arbeit oder über Bettý? Ich wusste es nicht. Mir war es nicht geheuer so ganz allein mit ihm, der mir Fragen stellte, von denen ich nicht wusste, ob sie geradeheraus waren oder ob irgendetwas anderesdahinter steckte. Konnte es sein, dass er von Bettý und mir erfahren hatte?
»Ja«, sagte er, »das tue ich.«
»Tust du das?«, sagte ich, so als hätte er auf meine Gedanken geantwortet.
»Ja, ich bilde mir selber ein Urteil, und ich habe den Eindruck, dass du dein Geld wert bist«, erklärte er. »Das muss ich schon sagen.«
Mir wurde etwas leichter ums Herz. Er ging also nicht um Bettý und mich. Aber da war noch etwas anderes. Wie gesagt, Tómas hatte mir bislang noch nie besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Er hatte sich zwar äußerst seltsam aufgeführt, als er mich damals einstellte, aber ansonsten waren unsere Kontakte überaus geschäftlich und sachlich gewesen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, worauf das hier hinauslaufen sollte. Tómas leerte sein Glas in einem Zug.
»Weißt du, wo Bettý heute Abend ist?«, fragte
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